„Da kann ich schon mal lauter werden“

Menschen von nebenan – Ihr Alltag, ihre Sorgen, ihre Wünsche: Warum der Pensionisten-Vertreter Manfred Lackner heute nicht mehr in die Politik gehen würde.
BREGENZ, BLUDENZ Manfred Lackner lässt sich nur selten aus der Ruhe bringen. Zornig machen ihn Fälle, wie der einer Mindestrentnerin, die mehr als ein halbes Jahr nach dem Tod ihres Ehemannes auf die Witwenpension warten musste. Ob Schlamperei oder Willkür von Seiten der zuständigen Sozialversicherung: „So etwas geht nicht! Da kann ich schon mal lauter werden.“ In seiner Funktion als Präsident des PVÖ (Pensionistenverband) Vorarlberg setzt sich der 77-Jährige tagtäglich mit einer Vielzahl von Problemen auseinander. Und findet immer eine Lösung.
Da sitzt er nun an seinem Schreibtisch im Bregenzer PVÖ-Büro. Vor ihm liegt ein Stapel Akten. Den schiebt er jetzt zur Seite. Heute geht es nämlich um ihn, um seine Geschichte. Und die beginnt am 29. September 1946 in der Kärntner Stadt St. Veit an der Glan. Dort wächst er mit einem Bruder und einer Schwester auf. Der Vater ist Standesbeamter, die Mutter zieht die Kinder groß.

„Wir hatten nichts“
Lackners Erinnerung an die Nachkriegs- und Besatzungszeit – in Kärnten waren die Briten stationiert – beschränkt sich auf Begegnungen mit Soldaten, „die uns mit Kaugummi und Bonbons beglückt haben“. Entscheidend geprägt habe ihn seine Kindheit in relativer Armut: „Wir hatten nichts. Aber das ist gut für die menschliche Entwicklung, um verstehen zu können, wie es sich anfühlt, arm zu sein. Ich habe das nie vergessen.“
Die Familie lebt in einer Wohnung in einem uralten Haus ohne fließend Wasser, ohne Toilette. Als Klo dient eine Art Latrine neben dem Haus. Lackner dazu: „Wir waren froh, dass wir überhaupt ein Dach überm Kopf hatten, nach dem Krieg.“ Jahre später ziehen die Lackners in ein etwas komfortableres Zuhause um. Erst 1960 bekommen sie eine Wohnung mit Bad, Toilette und Heizung.
Ich weiß, wie es sich anfühlt, arm zu sein. Das habe ich nie vergessen.
Manfred Lackner, Pensionisten-Vertreter
Nach Volks- und Hauptschule wählt Lackner die Handelsschule. Sein beruflicher Weg in Kärnten startet als Angestellter der Bezirkshauptmannschaft St. Veit an der Glan und endet als Gemeindesekretär von Rangersdorf. Dann folgt er seinen Geschwistern nach Vorarlberg, wird Zollwachbeamter an der Grenzstation Hörbranz-Unterhochsteg. Später wechselt er nach Ludesch als Gemeindebediensteter. Seine letzte Position bis zur Pensionierung ist die Leitung der Finanzabteilung im Landeskrankenhaus Bludenz.

In Vorarlberg hat Manfred Lackner auch seine Familie gegründet. Mit Roswitha aus Nordrhein-Westfalen findet er die Frau fürs Leben. Seit der Heirat im Juni 1973 sind 51 Jahre vergangen. „In dieser Zeit haben wir drei Töchter großgezogen und ihnen gute Ausbildungen angedeihen lassen. Alle haben Medizin studiert“, schildert der Vater stolz. Katja, 48, ist Hautärztin. Sandra, 43, ist Kinderärztin. Denise, 41, wurde Rechtsmedizinerin und macht nun die Ausbildung zur Fachärztin für Psychiatrie. Stolz ist Lackner auch auf seine beiden Enkelkinder, Katjas elf- und zwölfjährigen Töchter.
Einen großen Teil seines Lebens hat der Zuwanderer aus Kärnten der Politik gewidmet. „Mein Vater war ein gestandener Sozialdemokrat, so wurde auch ich einer“, erzählt Lackner, der bereits als Kind „rot“ sozialisiert wurde. Kinderfreunde, Jungfalken, Rote Falken, und so weiter – „das ganze Programm halt“. Während seiner langjährigen SPÖ-Karriere bekleidet er die Ämter des Landesparteivorsitzenden, Nationalratsabgeordneten und Bludenzer Stadtvertreters. Präsident des PVÖ Vorarlberg ist er seit 2018.

Politik hat versagt
Heute, resümiert Lackner, würde er nicht mehr in die Politik gehen. Warum? „Es wird viel geredet, doch es mangelt an Inhalt und Umsetzung“, kritisiert er. „Wir reden zum Beispiel seit zehn Jahren über Pflegenotstand, aber nichts passiert. Da hat die Politik versagt.“ Die Präsidentschaft des Vorarlberger PVÖ sieht er nicht als politische Tätigkeit. „Der PVÖ hat sich längst von der SPÖ getrennt. Wir verstehen uns als Interessensvertretung aller Pensionisten“, stellt er klar.
Sein Engagement ist aufwändig und nimmt viel Zeit in Anspruch. „Darum sehe ich ihn so selten. Aber ich habe ja ein Foto von ihm“, schaltet sich Roswitha Lackner ein, die ihn heute bei der Arbeit unterstützt. Mit ihr wohnt er in Bludenz. In ihr hat er die ideale Reisepartnerin. Denn schon immer zählt Reisen zu Lackners bevorzugten Aktivitäten. Indien, Sri Lanka, Indochina, Japan, Australien, das südliche Afrika, Amerika – das sind nur einige der Destinationen, die er mit seiner Frau bisher erkundet hat. Reisen bedeutet für ihn eine Erweiterung des geistigen Horizonts.
Die aktuelle weltpolitische Lage und die vielen Konflikte bereiten Manfred Lackner große Sorgen, deshalb äußert er diesen dringenden Wunsch: „Die Menschheit soll wieder in Frieden und gegenseitiger Achtung leben und über ideologische Grenzen hinweg Ausgleich zum Wohle aller finden.“