Doris Knecht

Kommentar

Doris Knecht

Was für ein Glück, wenn man solche Freunde hat

Vorarlberg / 17.09.2024 • 07:20 Uhr

Den ganzen Sonntag lag ich in Wien vor dem Fernseher und schaute Hochwasser-TV. Am Nachmittag kam eine Freundin und legte sich zu mir, dann noch eine. Vor allem die Beiträge vom Stausee in Ottenstein verfolgte ich atemlos. Denn das Haus im Waldviertel, aus dem ich hier immer wieder berichte, steht am Kamp, ein Stück unterhalb der Stausseenkette.

„Dann packte ich den verstörten Hund ins Auto und fuhr nach Wien, wie es mir die Feuerwehr geraten hatte.“

Die ganze Woche beobachtete ich von meinem Haus aus, wie die Stauseen abgelassen wurden, wie aus dem Bach, in dem ich am Sonntag noch gebadet hatte, ein reißendes Gewässer wurde, das sich immer mehr verbreiterte und immer näher auf mein Haus zukam. Ich räumte schon mal im Schuppen alles in die Höhe und den Keller leer. Am Freitag wurde ich von der Feuerwehr über die Prognosen informiert: Man rechne mit einem Hochwasser und bis Sonntag Abend mit dem Pegelstand von 2002. Damals gehörte mir das Haus noch nicht, aber als ich es kaufte, konnte man darin noch die Spuren dieses enormen Hochwassers sehen: damals stand das Erdgeschoss etwa eineinhalb Meter unter Wasser. Die Feuerwehr riet mir dringend, am Samstag mein Erdgeschoß auszuräumen.

Ich war ein bisschen verzweifelt, als ich das hörte. Wie sollte ich all Möbel rausschaffen und wo sollte das alles hin? Der Hund verzog sich schon ins Dachgeschoss und versteckte sich unterm Bett.

Doch was dann passierte: Noch bevor ich in Sorgen versinken konnte, standen schon Leute vor der Tür oder riefen an und boten ihre Hilfe an. Mach dir keine Sorgen, das schaffen wir schon! Ich fing noch in der Nacht an, Schränke auszuräumen und Sachen ins Obergeschoss zu schaffen.

Samstag früh erschien ein Trupp aus Freunden und Freundinnen, alle mit Gummistiefeln und Arbeitshandschuhen, und fing an, das Erdgeschoss meines Hauses auszuräumen. Ein Nachbar, der höher wohnt, stellte mir ein leerstehendes Gebäude zur Verfügung, und ein Möbelstück nach dem anderen wurde durch strömenden Regen in Sicherheit gebracht. Sogar der Tischler kam angefahren und schraubte die Küche, die er in den letzten Jahren Stück für Stück eingebaut hatte, an den richtigen Stellen auseinander, und all die so gut wie neuen Elektrogeräte wurden ausgebaut und weggeschafft. Der Schwedenofen verschwand. Der riesige Tisch wurde durch die Verandatür hinausgezirkelt. Die Eckbank kam weg, das Gästebett wurde hinausgetragen. Nach drei Stunden war oben alles voll und unten alles leer. Wir schalteten den Strom ab. Wie hängten eine Tür aus; damit das Wasser rein kann und wieder raus. Danke, ihr Freunde! Was täte ich ohne euch.

Dann packte ich den verstörten Hund ins Auto und fuhr nach Wien, wie es mir die Feuerwehr geraten hatte.

Und hier bangten wir jetzt aus der Ferne und fühlten mit allen Betroffenen: Was für ein Unglück!, was für Katastrophen, welch ein unglaublicher Einsatz all der freiwilligen Helfer.

Eben jetzt, am Montag, hat einer von der Feuerwehr angerufen und gesagt: Ich will nichts verschreien, aber ganz vorsichtige Entwarnung, es könnte sich ausgehen, bis jetzt noch alles trocken. Was wäre das für ein Glück.

Doris Knecht ist Kolumnistin und Schriftstellerin. Sie lebt mit ihrer Familie in Wien und im Waldviertel.