Jetzt reicht’s dann aber!
Heute früh zuckerte der erste Frost die Waldviertler Wiese. Das wars dann wohl mit dem Steinpilzwahnsinn der letzten Wochen.
Gestern, während ich zwischendurch in die Live-Ticker zur Vorarlberg-Wahl linste, putzte ich die vielleicht letzten heuer.
„Ich mag eigentlich keine Pilze mehr essen, aber es ist so eine Freude, sie zu finden.“
Schon ab Mai hatten wir Steinpilze gegessen, bis wir nicht mehr konnten, und jetzt, nach den intensiven Regenfällen, schiebt der Wald noch mal die Schwammerl raus, dass es eine Pracht ist.
Ich mag eigentlich keine Pilze mehr essen, aber es ist so eine Freude, sie zu finden. Ah, da hats viele Fliegenpilze, dann ist meist auch der Steinpilz nicht weit. Und der ist extra schön derzeit: kleine, glänzende Köpfe auf fetten, festen Stämmen, völlig wurmfrei. Aber zuerst tauchten die Parasole auf, überall, in Kaskaden, mit riesigen, fleischigen Schirmen. Eins der Kinder war gerade da, als es losging, wir waren mit dem Hund im Wald unterwegs. Ich packte das Sackerl aus, das ich immer in der Hundetasche dabei habe.
„Hast du auch ein Messer?“, sagte das Kind. „Brauchen wir nicht“, sagte ich, „einfach vorsichtig aus der Erde drehen“, und wir machten das Sackerl voll.
Bevor hier jemand protestiert, weil er gelernt hat, dass man Pilze im Wald immer vorsichtig aus der Erde schneiden muss, damit dort weitere Pilze wachsen: Die Mykologie hat dieses Märchen längst widerlegt, denn das Myzel ist ja viel mehr als nur die Pilzwurzel. Der Pilz, der aus der Erde schaut, ist nur der Fruchtkörper des Myzels, das sich wie ein Netz im Waldboden verbreitet, und ob man den Pilz schneidet oder herausdreht, ist dem Myzel völlig einerlei. Die Mykologen sagen: Besser herausdrehen, denn wenn man sich nicht ganz sicher ist, ist zur Bestimmung des Pilzes sein Strunk wesentlich.
„Bist du dir sicher, dass man diesen Pilz essen kann?“, sagte das Kind. Ich bin mir sicher, bei genau sechs Pilzen: Steinpilz, Eierschwammerl, Herbstrompeten, Riesenbovist, Krause Glucke und Parasol. Alle anderen: lieber nicht.
Ich fand noch ein paar Steinpilze gestern, nicht so viele wie vor ein paar Tagen, irgendwer war offenbar schon vor mir da. Der Hund machte plötzlich Bahöö, aber diesmal war es kein Hase, sondern der Valentin, der mit seinem Hund und seinem Sackerl daherstapfte. „Was machst du in meinem Pilzwald?“ „Das wollte ich dich grad auch fragen!“ Ich zeigte ihm meine paar Schätze, dann gingen wir in verschiedene Richtungen weiter.
Ich fand dann noch eine große Krause Glucke, sah aus, wie riesiger Badeschwamm. Die gab’s dann, mit Zwiebeln und Petersil in Butter gebraten, mit Weißwein und Rahm abgelöscht auf Pasta doch noch zum Abendessen.
War gut, aber jetzt reicht’s wirklich.
Doris Knecht ist Kolumnistin und Schriftstellerin. Sie lebt mit ihrer Familie in Wien und im Waldviertel.
Kommentar