Von der Sägemühle zur Seidenweberei: Die Geschichte von Faigle Textil in Hard

Vorarlberg / 03.11.2024 • 07:00 Uhr
Denkmalgeschützte Gebäude: Faigle
Damit fing alles an: Steurers Säge und die ursprüngliche Faigle Seidenzwirnerei und Stickerei 1896. Haymon Verlag

Das Unternehmen Faigle, dessen Wurzeln bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen, ist ein Beispiel für die industrielle Entwicklung in der Bodenseeregion.

Bregenz Ursprünglich aus Winterlingen in der Schwäbischen Alb stammend, kaufte die Fabrikantenfamilie Faigle im Jahr 1873 die Steurer Säge in der heutigen Sägewerkstraße und begann dort eine Erfolgsgeschichte. An diesem ersten Firmenstandort gründeten sie neben der Säge eine Seidenspinnerei, die später zu einer Stickerei erweitert wurde und zeitweise bis zu 100 Personen beschäftigte. Diese ursprüngliche Fabrik wurde 1912 an die Kammgarnspinnerei E. Offerman verkauft.

Denkmalgeschützte Gebäude: Faigle
Wohnung und Produktionsgebäude von Carl Faigle 2013.

Expansion und Aufbau der Seidenweberei

1919 errichtete Carl Faigle am Sägenkanal auf dem Gelände der ehemaligen Gerberschen Säge und Mühle eine Seidenweberei. Bereits 1907 hatte sein Großneffe Willy Faigle die Säge erworben. Das zweigeschossige Betriebs- und Wohngebäude am Sägenkanal 15, mit einem durchgehenden Saal im Hochparterre für die Seidenweberei und einer Wohnung im ersten Stock für die Familie Karl Faigle, ist der markanteste Bau des bis heute erhaltenen Ensembles. Unter dem Dach gab es Zimmer für die Betriebsangehörigen.

Denkmalgeschützte Gebäude: Faigle
Gerbsche Säge Anfangs 20. Jahrhundert.

Um 1990 wurde der Wohnbereich des Gebäudes nach Plänen des Architekturbüros Helmut Kuess umfassend saniert. Eine letzte bauliche Veränderung fand 2006 nach Plänen von Eckehart Krischke statt: Teile des ehemaligen Websaals wurden für Wohnzwecke adaptiert, und eine Veranda wurde angebaut. Gleichzeitig wurde im Garten ein interessanter landschaftsgestalterischer Hinweis angelegt – ein trockenes Bachbett, das auf den in den 60er Jahren verlandeten Sägenkanal verweist.

Denkmalgeschützte Gebäude: Faigle
Faigle Industrieensemble am Sägen-Kanal.

Wirtschaftliche Entwicklungen

Neben der Seidenweberei und Zwirnerei betrieb die Familie Faigle auch die Büffelbeizefabrik Willy Faigle. Willy Faigle, der 1882 mit seinen Eltern aus den USA nach Winterlingen zurückgekehrt war, eröffnete 1907 in der früheren Gerberschen Säge einen Großhandel für Kolonialwaren. In den 1920er Jahren erwarb er die Lizenz für das Bodenwachs Büffelbeize und begann 1927 mit der Produktion in einem neu errichteten Wohn- und Betriebsgebäude. Das Unternehmen Carl Faigle Seidenweberei und Zwirnerei, heute bekannt als Faigle Textilveredelungsgesellschaft, beschäftigte über viele Jahre hinweg zwischen 40 und 50 Mitarbeiter. Nach über 70 Jahren im Familienbesitz wurde es 1983 an das Schweizer Unternehmen C. Beerli AG verkauft. Die ehemalige Seidenzwirnerei-Halle am Sägenkanal 12, erbaut 1916, wurde durch verschiedene Lagerhallen und ein kleines Verwaltungsgebäude ergänzt.

Denkmalgeschützte Gebäude: Faigle
Die Firma Faigle Textil gehört zu den textilen Pionieren in Vorarlberg, 2023 kaufte ein ehemaliger Alpla-CEO das Unternehmen.

Eine neue Ära

Das Unternehmen Willy Faigle, das sich ab 1950 auf die chemische Produktion konzentrierte, verlegte 2001 seine Produktion aus umwelttechnischen Gründen nach Hörbranz. In Verbindung mit den angrenzenden Gebäuden der Textilfirma Faigle entstand in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein kleines Industrie-Ensemble, das den Charakter der Sägerstraße maßgeblich prägte. Heute, kaum vorstellbar, zeugen die markanten Gebäude und die erhaltenen Strukturen von einer Zeit, in der die typischen Geräusche von Textilmaschinen und der Geruch von Färberei und Wachsproduktion das Leben in diesem Wohngebiet bestimmten. MEC