Vom „Vorstands-Dasein“ auf einem Bauernhof

Wie ein Jugendtraum doch noch zur Realität wurde.
Langenegg Rebecca Nußbaumer hatte einen Traum: Sie wollte ihre Brötchen als Bankvorstand verdienen. Heute ist sie Vorstand. Familienvorstand auf einem Bauernhof in Langenegg.

Der Karriereweg der gebürtigen Höchsterin schien von Anfang an vorgezeichnet: Nach dem Abschluss an der HLW Marienberg im betriebswirtschaftlichen Bereich startete sie im Jahr 2007 ihre Laufbahn als Bankkauffrau bei der Hypo Vorarlberg. Damals verkörperte sie das Bild der modernen Karrierefrau – stets elegant gekleidet, die langen Fingernägel sorgfältig lackiert und die hohen Absätze ein selbstverständliches Accessoire ihrer täglichen Garderobe. Sie genoss die beruflichen Annehmlichkeiten und das prestigeträchtige Umfeld der Bankenwelt. Bis eine Begegnung mit Sebastian Nußbaumer, einem Langenegger Bauern, ihrem Leben eine „Kursänderung“ gab: Von Anfang wusste die 36-Jährige: „Hier auf der Alpe, da würd’s mir gefallen“. Die Bankangestellte engagierte sich folglich in ihrer Freizeit auf der Alpe, bewirtete die Gäste. Aber auch in der Küche half sie mit beim Brotbacken, bei der Kässpätzle-Herstellung und anderem.

Zehn Jahre und zwei Kinder später ist sie mit Sebastian Nußbaumer verheiratet, lenkt das Unternehmen Familie und stemmt die immer umfangreichere Büroarbeit am Bauernhof. Nach der Geburt ihrer Tochter Gloria im Jahr 2017 hatte sich Rebecca Nußbaumer entschlossen, endgültig die Stöckelschuhe gegen Stiefel oder Hölzler, die lackierten Nägel gegen erdige Hände und die feinen Stoffe gegen praktische Kleidung einzutauschen. Zwei Jahre später wurde Sohn Jonas geboren. Die Familie auf dem Milchviehhof ist komplett. Und die Arbeit ist mehr geworden. „Der Tag könnte 24 Stunden haben“, sagt die junge Landwirtin.Was ihr anfangs fremd erschien – etwa das frühe Aufstehen –, wurde schnell zur Normalität. Und die Anforderungen der Landwirtschaft gaben ihr ein neues Selbstverständnis und eine tiefe Zufriedenheit. Mit Leidenschaft führt sie im Sommer den kleinen Almausschank im Lecknertal, liebt diese Tage zwischen heiler Welt und harter Arbeit, Freiheit und Verbundenheit mit Natur und Tieren. In den übrigen Jahreszeiten ist sie auf dem Milchvieh-Hof in Langenegg aktiv, wo über 30 Kühe und ebenso viele Rinder und Kälber versorgt werden wollen. Inzwischen ist Rebecca mit den Arbeiten im Stall und Hof so vertraut, als ob sie nie etwas anderes getan hätte. Die aufgeschlossene junge Frau liebt es, dass sie ihren Alltag selbstbestimmt bewältigen kann. „Das Lebensgefühl ist ganz besonders“, erklärt sie.

Haupterwerbszweig der Nußbaumers ist der Milchverkauf. Das bedeutet, dass der Milchfluss gesichert werden muss, heißt: Eine Kuh muss zuerst ein Kälbchen zur Welt bringen, um Milch zu produzieren. Noch gut in Erinnerung sind Berichte über das Leid der junge Tiere, die unter unwürdigen Bedingungen ins Ausland gebracht wurden und werden. Rebecca und ihrem Mann liegt das Tierwohl am Herzen. Vor etwa vier Jahren entschlossen sich die beiden deshalb, die Kälbertransporte ins Ausland nicht mehr zu unterstützen. Der Fokus wurde mehr auf die Nachzucht gerichtet. Ein Großteil des Fleisches wurde selbst vermarktet, Produkte – Würste, Leberkäse – aus Kalbfleisch in ihrem Almausschank angeboten. Über moderne Medien informierten sie darüber und haben heute ein festes Netz von Kunden.

Rebecca Nußbaumer hat ihren Traum vom „Vorstand-Dasein“ erfüllt, wenn auch in einem ganz anderem Bereich als gedacht. Die Umstellung verlangte ihr Durchhaltevermögen ab – und bringt ihr die Zufriedenheit, die sie sich gewünscht hat. JH
ZUR PERSON
Rebecca Nußbaumer
Geboren 29. Juni 1988 in Höchst
Wohnort Langenegg
Familienstand verheiratet, 2 Kinder
Hobby Jassen, Puzzles, Tiere