Monika Helfer

Kommentar

Monika Helfer

Listen

Vorarlberg / 13.11.2024 • 13:08 Uhr

Ich will nicht von der Liste berichten, die ein fehlgeleiteter Politiker für Volksverräter anlegen möchte, dafür ist mir die Welt zu schade.

Warum? Was hast du Schlechtes getan? Warum? Was habe ich Schlechtes getan? Was habe ich verabsäumt?

Vielmehr will ich über Listen schreiben, die die Funktion eines Medikaments haben können. Mein Mann hat es bei sich ausprobiert und mir weiter empfohlen.
Wenn der Serotoninspiegel in der Nacht sinkt, ist es ratsam, die Vernunft einzuschalten. Mein Mann rät mir zu Listen, wenn der Serotoninmangel sich meldet und im Kopf alles durcheinander fliegt – ein Hut füllt sich mit Wasser und Fische schwimmen darin … Die Armenhausphantasie breitet sich wieder aus – völlig unnötig, weil auf dem Konto Ordnung herrscht.

Bei hellem Sonnenlicht betrachtet, bieten sich Lösungen an. Aber die vielen ausständigen Honorare! Ich werde Mahnungen verschicken.

Ich schreibe eine Liste, das tut gut:

  • Ich erledige meine Post.
  • Ich rufe den Gärtner an.
  • Ich versuche, eine Frau zu finden, die mir im Haus zur Hand geht.
  • Mein Mann und ich melden uns zur Gesundenuntersuchung an.
  • Wir müssen mit unseren Kinder sprechen, was nach unserem Tod geschieht.
  • Nicht zu vergessen, das schlechte Gewissen

Mein Mann und ich melden uns zur Gesundenuntersuchung an.

Wir müssen mit unseren Kinder sprechen, was nach unserem Tod geschieht.

Nicht zu vergessen, das schlechte Gewissen

Beim Frühstück lese ich meinem Mann die Liste vor.
„Den letzten Punkt mit dem Tod kannst du streichen“, sagt er. „Wir sterben erst, wenn wir alles erledigt haben.“

Ich frage ihn nach dem schlechten Gewissen, ich weiß, er ist verfolgt davon wie ich. Warum? Was hast du Schlechtes getan? Warum? Was habe ich Schlechtes getan? Was habe ich verabsäumt?

Wären wir Maoris aus Neuseeland, würden wir mit der Natur eins sein, Bäume wären wie Menschen für uns. Aber was wissen wir schon? Schreiben Maoris auch Listen? weil es ihnen die Europäer gezeigt haben?

Ich werde meine Sachen erledigen so gut ich kann.
„Du meinst also, uns bleibt der Tod erspart, weil wir nie fertig sein werden“, sage ich, immer noch verschlafen im Pyjama.

„Da gibt es nur eines“, sagt mein Mann. „Zieh dich warm an, Kappe und Handschuhe, es hat gerade zwei Grad, deine Bergschuhe, dann fahren wir über die Nebelgrenze und lassen uns die Sonne ins Gesicht scheinen.
„Wenn das die Rettung ist“, sage ich. „Ich verstecke mich in einer Höhle, und du musst mich suchen.“
„So machen wir es“, sagt mein lieber Mann.

Monika Helfer ist Schriftstellerin und lebt in Hohenems.