Doris Knecht

Kommentar

Doris Knecht

Einfach irgendwie „Tag“ simulieren

Vorarlberg / 10.12.2024 • 08:20 Uhr

Im Februar werde ich mich wundern, wie ich das behauptet konnte, aber: Ist es nicht gerade die schlimmste Zeit im Jahr? Ich meine jetzt nicht die schöne Vorweihnachtszeit, ich meine die Dunkelheit. Man wacht im Bett auf, und weiß nicht, ist es noch mitten in Nacht oder schon Zeit zum Aufstehen? Wenn man festgestellt hat: Ah, es ist, obwohl noch stockdunkel, schon fast sieben, und tatsächlich aufsteht, macht man, um das noch halbschlafende Gemüt zu überlisten, erstmal alle Lichter in der Wohnung an, um irgendwie „Tag“ zu simulieren. Inklusive der grellen 20.000-Lux-Tageslichtlampe, die den winterlichen Verstimmungen vorbeugen soll, indem sie dem Organismus und dem Gehirn Sonnenschein vorgaukelt.

„Es ist noch Sommer, es ist nicht mehr so heiß, es ist noch alles grün und in Blüte.“

In dem immer noch recht lustigen Film „Miss Undercover“, in dem Sandra Bullock als Ermittlerin undercover bei einem Miss-Wettbewerb mitmacht, wird eine der Bewerberinnen gefragt, was denn für sie das „perfect date“ sei, und anstatt eine perfekte Verabredung zu beschreiben, nennt sie ihr Lieblingsdatum im Jahr, den 25. April, weil es da nicht zu warm und nicht zu kalt sei und man nur ein leichtes Jäckchen brauche.

Würde man mich das fragen, würde ich, glaube ich, sagen: Die Tage im März, wenn es endlich Frühling wird und wieder grünt, und Ende August. Es ist noch Sommer, es ist nicht mehr so heiß, es ist noch alles grün und in Blüte. Man kann noch baden, vor allem aber: In der Früh um sechs, wenn ich für gewöhnlich aufwache, ist es taghell, während es abends, während man noch draußen sitzt, schon um neun dunkel wird. Was Lerchen-Typen wie mich, die gern zeitig schlafen gehen, überaus schätzen, unter anderem, weil sie dann den trotzdem noch den im August sternschnuppenreichen Nachthimmel sehen können. Aber in der Früh, wenn man aufwacht, sollte es bitte hell sein, einfach immer, das ganze Jahr hindurch.

Wenn ich die winterliche Dunkelheit kaum mehr aushalte, dann google ich auf meinem Notebook „Polarnacht“ und schaue auf Instagram bei Leuten rein, die im norwegischen Tromsø und Umgebung leben. Dort schafft es die Sonne zwischen Ende November und Ende Jänner nicht über den Horizont. Ich weiß nicht, wie die Leute das durchstehen, aber sie tuns: Sie machen Wanderungen und Hundespaziergänge mit Taschenlampen, achten darauf, dass ihre Häuser und Arbeitsplätze gut beleuchtet und sie selber nicht zu übersehen sind, wenn sie im Dunkeln einkaufen oder zur Arbeit gehen.

Und interessanterweise wirken diese Leute immer ganz fröhlich, ich weiß nicht wie sie das machen. Hier ist es jetzt endlich hell, wenigstens noch ein paar Stunden, ich feiere das.

Doris Knecht ist Kolumnistin und Schriftstellerin. Sie lebt mit ihrer Familie in Wien und im Waldviertel.