Strafanzeige um Strafanzeige: Chalet-Bau ist Gemeinde Lech ein Dorn im Auge

Vorarlberg / 15.12.2024 • 11:00 Uhr
Strafanzeige um Strafanzeige: Chalet-Bau ist Gemeinde Lech ein Dorn im Auge
Josef Jenewein ist Bauleiter für die Erweiterung des Chalet Balegia. Baurechtlich fühle er sich nicht an die Verordnung der Gemeinde gebunden. Der Gemeinde mit Bürgermeister Gerhard Lucian (kl. Bild) sind die Hände gebunden. VN/Gasser

Bauarbeiten am Chalet Balegia rufen die Gemeinde auf den Plan, weil laut eigener Verordnung um diese Jahreszeit Arbeiten nicht mehr gestattet sind. Dem Bürgermeister sind allerdings die Hände gebunden.

Lech Ein Handwerkerfahrzeug reiht sich an das andere. Auf der Baustelle unweit des Schlosskopfliftes mitten im Nobelort Lech herrscht emsige Betriebsamkeit. Gut zwei Dutzend Arbeiter sind mit der Fertigstellung eines größeren Umbaus an einem Appartement-Chalet im Fünfsterne-Segment beschäftigt. Granitplatten werden in den neuen Wellnessbereich getragen, bis zuletzt wurden mit einem Bagger im Außenbereich Erdbewegungsarbeiten durchgeführt. Rege Bautätigkeiten sind in Lech nichts Ungewöhnliches. Mit Start der Wintersaison ist das allerdings anders. Eine Bauzeitenverordnung soll dafür sorgen, dass mit der Anreise der ersten betuchten Gäste Ruhe im Ferienort herrscht. Lärmstörungen und der Schutz des Landschafts- und Ortsbildes haben ab 23. November oberste Priorität. Da sind den Verantwortlichen in der Gemeinde die anhaltenden Arbeiten am Luxus-Chalet Balegia naturgemäß ein Dorn im Auge. Stoppen lässt sich das muntere Treiben dennoch nicht, wie Bürgermeister Gerhard Lucian einräumen muss. “Der Gemeinde sind die Hände gebunden.”

Interview mit dem Bürgermeister von Lech gerhard Lucian
Bürgermeister Gerhard Lucian hat längst alle Hebel in Bewegung gesetzt. VN/Steurer

In Lech laufen die Telefone seit Tagen heiß. Die Empörung unter politisch Aktiven aus allen Lagern ist groß. Die Gemeinde möge doch endlich handeln, so der Tenor. Untätigkeit kann man Bürgermeister Gerhard Lucian indes keine vorwerfen. Der Gemeindechef hat längst alle Hebel in Bewegung gesetzt, Abklärungen mit der Bezirkshauptmannschaft getroffen und juristische Expertisen eingeholt. Das Ergebnis ist für die Gemeinde eher ernüchternd. Da es sich beim Bauwerber um einen gewerblichen Betrieb handelt, liegt die Zuständigkeit bei der BH Bludenz. Dort sieht man als zuständige Baubehörde auf Grundlage des Baugesetzes keine Möglichkeit, einzuschreiten und allenfalls einen von der Gemeinde geforderten Baustopp umzusetzen, wie in einem internen Schriftverkehr festgehalten wird.

Chalet Balegia
Trotz Bauzeitenverordnung wird am Chalet Balegia noch immer gebaut. VN/Gasser

Anders als bei Bauvorhaben von Privaten ist demnach in diesem Fall der Handlungsspielraum der Gemeinde arg eingeschränkt. So eine Situation habe man in den letzten Jahren auch nie gehabt, sagt Lucian. Tatenlos zusehen will der Bürgermeister dennoch nicht und lässt Sicherheitswache und Bauamt täglich ausrücken. Dabei wird das Geschehen dokumentiert und die augenscheinlichen Verwaltungsübertretungen zur Anzeige gebracht. Man schöpfe alle rechtlichen Möglichkeiten aus. Elf Strafanzeigen waren es demnach alleine bis zum Wochenende. “Mehr können wir leider nicht tun”, bedauert Lucian.

Chalet Balegia
Ein Baustopp und ein Wasserschaden haben zu Verzögerungen geführt. VN/Gasser

Die Anzeigen-Wut des Bürgermeisters wird auf der Baustelle eher unaufgeregt zur Kenntnis genommen. Josef Jenewein ist Bauleiter und verweist auf rechtliche Fakten. Die Zuständigkeit als Baubehörde liege zweifelsfrei bei der Bezirkshauptmannschaft Bludenz, womit man sich baurechtlich auch nicht an die Verordnung der Gemeinde gebunden fühle. Dennoch habe man immer das Ziel gehabt, pünktlich – und damit um den 23. November – mit den Arbeiten fertig zu sein. Es kam anders. Optimierungen bei den Plänen, eine terminliche Überschneidung zwischen neuer Einreichung und einer Anzeige, hätten zu einem Baustopp von sechs Wochen geführt. “Während des Prüfverfahrens hat sich herausgestellt, dass alles genehmigungsfähig ist”, so Jenewein. Ein Wasserschaden habe danach allerdings zu einer weiteren Verzögerung geführt.

Chalet Balegia
Josef Jenewein glaubt, dass hier politisches Kleingeld gewechselt werde. VN/Gasser

Beim Lokalaugenschein der VN zeigt der Bauleiter wenig Verständnis für das Vorgehen der Gemeinde. Hier wolle man wohl politisches Kleingeld wechseln. Auch ein Antrag für die Erteilung einer Ausnahmereglung sei von der Gemeinde bis heute unbeantwortet geblieben. Tatsächlich hat der Gemeindevorstand einen solchen erst vor Tagen abgelehnt, wie Lucian erklärt – offensichtlich aber bisher nicht zugestellt. Noch eines ist den Bauherren, Investoren aus Liechtenstein, wichtig: Man habe von Beginn an mit den Nachbarn ein gutes Einvernehmen gesucht, sei ihnen auch finanziell etwa durch den Bau von Stützmauern oder dem Asphaltieren und Verbreitern von Zufahrtsstraßen entgegengekommen, so der Bauleiter.

Bis Mittwoch will Jenewein die Baustelle abgeschlossen haben. Bis dahin dürften sich demnach auch weitere Strafanzeigen wegen Verwaltungsübertretungen ansammeln.