Monika Helfer

Kommentar

Monika Helfer

Möbel für den Ofen

Vorarlberg / 08.01.2025 • 07:05 Uhr

Die Mutter war sehr alt gestorben, noch bei klarem Verstand, und sie nahm ihrem einzigen Sohn das Versprechen ab, das Haus, in dem sie mit der Familie das ganze Leben verbracht hatte, auf keinen Fall abzureißen

Das Haus sei in einem guten Zustand stellte der Architekt fest.

Ein halbes Jahr ließ sich der Sohn Zeit, ehe er wieder in das Haus ging. Er schaute in alle Zimmer an und erinnerte sich, als er in der Küche den Abwasch sah, dass ihn die Mutter als kleines Bübchen darin gebadet hatte, weil es der einzig warme Raum gewesen war. So gemütlich war das, sie hatte leise vor sich hingesummt, einen Teig ausgerollt, er hatte seine Ente ins Wasser eingetaucht. So lange blieb er sitzen, bis ihn fror, dann umhüllte ihn die Mama mit dem Flanellhandtuch. Er saß auf dem Küchentisch und sie sagte, er solle stillsitzen, sie hole die Anziehsachen. Sie zog ihm die Unterwäsche an, den Pullover. Bei der Hose fädelte sie erst seine Beine ein, dann stellte sie ihn auf wie ein Spielzeug, um ihm die Hose hinaufzuziehen. Sie füllte Kakao in ein Fläschchen, probierte die Temperatur, und legte ein Kissen auf den Boden, darauf legte sich das Bübchen und er strank mit geschlossenen Augen.

Die Möbel in dem Haus waren alt und jetzt an diesem Tag im November war es sehr kalt. Er suchte nach Holz und fand wenig. Das steckte er in den Kachelofen. Er nahm einen Stuhl und zerhackte ihn in der Werkstatt zu Feuerholz, dann den Tisch in der Küche, einen zweiten und einen dritten Stuhl. Er war so eifrig bei der Arbeit und zerhackte auch das Elternbett, den Schrank und den Schuhkasten. Er legte Brot auf den Ofen, aß es dann, als es aufgetaut war ohne Butter ohne alles. Die zerhackten Möbel waren ordentlich aufgestapelt. Nacheinander füllte er den Ofen mit den zerstückelten Möbelteilen. Das Feuer flackerte und es wurde behaglich warm und mit der Zeit so heiß, dass er ein Fenster öffnen musste. Nur kurz, denn leid tat es ihm um die Wärme, die das Haus wieder gemütlich gemacht hatte.

Er leerte Schubladen und füllte damit Mullsäcke. Die Wärme im Haus war so freundlich, dass er müde wurde, sich eine Decke suchte und fand. Er legte sie um seine Schultern und den Rücken an den Kachelofen. Er würde aus seiner Wohnung Bett, Tische und Stühle mitnehmen, seinen Schreibtisch und mit Sorgfalt das alte Haus neu einrichten. Die Lampen hatte er gern, also ließ er sie hängen. Er nahm die Bilder von den Wänden, verweilte bei jedem kurz und suchte nach einer Erinnerung. Die Mutter mit ihm auf dem Schoß vor der Hauswand. Sie war noch jung mit gelockten Haaren, er noch sehr klein. Wo war der Vater. Wahrscheinlich im Wald in seiner Funktion als Waldarbeiter beim Inspizieren der Bäume.

Monika Helfer ist Schriftstellerin und lebt in Hohenems.