Drei Bilder

Das Streiflicht von Thomas Matt.
Der alte Mann streicht seiner Frau, die ihre Krankheit zur Greisin hat werden lassen, so liebevoll über die Wange, als wäre sie noch immer die hübsche Braut von 19 Jahren, die das vergilbte Hochzeitsbild zeigt. Ein kleines Kind kommt die letzten Meter des Schulwegs eilig gelaufen, denn an der letzten Ecke wartet der Max wie jeden Tag: Er streift sich mit der rechten Pfote übers Näschen, dann geleitet sie der Kater grazil an die Haustür. Der Wind treibt eine Bierdose vor sich her, aber ehe sie aufs Gleis fallen kann, klauben zwei Finger sie auf, und der Passant wirft sie im Vorübergehen in den Kübel, obwohl er sie gar nicht hatte fallen lassen.
Drei Bilder, an einem Tag. Es ist derselbe Tag, an dem in Villach ein Mann lachend auf Passanten einsticht, und eine ganze Nation später vergeblich versucht zu verstehen, was da vor sich ging. Es ist derselbe Tag, an dem die Nachrichten bezeugen, dass die Welt ein Tollhaus geworden ist, das die einen wie einen halbseidenen Markt zu regieren versuchen und andere die Waffen sprechen lassen.
Einer der vielen Tage, in dessen Verlauf Menschen aus reinem Selbstschutz den Fernseher dunkel lassen, „weil man das alles nicht mehr aushält“. Ja, das stimmt. Aber die liebenden Alten, das Kind und die Katze, den achtsamen Passanten, die gibt es eben auch. Das macht nichts ungeschehen noch relativiert es. Aber wir dürfen es nicht übersehen.