Johannes Huber

Kommentar

Johannes Huber

Starke Wähler

Vorarlberg / 22.03.2025 • 07:05 Uhr

Es gibt viele Gründe, um Demokratie besorgt zu sein, Verhältnisse in Vorarlberg gehören weniger dazu. Natürlich ist die Wahlbeteiligung bei den Gemeindewahlen mit 54 Prozent bescheiden ausgefallen. Deswegen von genereller Demokratiemüdigkeit zu reden, ist jedoch daneben. Es ist eher so, dass Wähler zunehmend nur dann eine Stimme abgeben, wenn sie überzeugt sind, dass es um eine Richtungsentscheidung geht.

Nicht nur in Vorarlberg und ganz Österreich, sondern auch in Deutschland ist die Beteiligung bei Nationalrats- bzw. Bundestagswahlen mit 70, 80 Prozent relativ hoch, ist sie umgekehrt bei Kommunal- und EU-Wahlen am niedrigsten.

Nationalratswahlen gelten als Kanzlerwahlen, mit denen größere Richtungsentscheidungen einhergehen. Dazu trägt auch die FPÖ bei, die (fast) niemanden unberührt lässt, die Widerstände genauso hervorruft wie Begeisterung. Da geht es wirklich um sehr viel. Bei EU-Wahlen würde es das ebenfalls tun, das Europäische Parlament führt jedoch ein Schattendasein: Wenn, dann sind es die Staats- und Regierungschefs, die Richtungsentscheidungen treffen.

Und bei Gemeindewahlen? Auf kommunaler Ebene geschieht viel, viel davon gilt aber als selbstverständlich, von Kinderbetreuung bis Wasserversorgung. Polarisierendes, was von unterschiedlichen Parteien in einem harten Wettbewerb verstärkt wird und Wähler eben erst zum Wählen bringt, ist jedoch selten dabei.

Es ist bedauerlich, dass Nichtwähler auf Gemeindeebene daher so zahlreich sind. Es bleibt jedoch die Gewissheit, dass sich ein erheblicher Teil von ihnen nicht ganz abgemeldet hat von Demokratie, sondern dabei ist, wenn es ihres Erachtens sein muss. Ergebnis: Bei der Nationalratswahl im Herbst belief sich die Wahlbeteiligung hierzulande auf 72 Prozent und war damit sogar etwas höher als vor gut 20 Jahren (2006 betrug sie 70 Prozent).

Ja, das Ganze hat auch etwas Gutes: Weit überdurchschnittliche Wahlbeteiligungen bestehen unter anderem dort, wo Parteien schier alles unter Kontrolle haben und sich auf disziplinierte Funktionäre genauso verlassen können wie auf ebensolche Bürger, sprich Stammwähler. Vorarlberg ist da um einiges anders: Wie Gemeindevertreter bei Entscheidungen laut einer Umfrage nicht so sehr Vorgaben ihrer Partei gehorchen, sondern ihrer eigenen Überzeugung, tun das auch Wähler.

Sie sind mobil: In Bregenz holte die SPÖ bei der Landtagswahl 17,1 und bei der Gemeindewahl 42,7 Prozent, wurde „ihr“ Stadtoberhaupt Michael Ritsch in der ersten Runde im Amt bestätigt. In Hohenems erreichte Dieter Egger (FPÖ) bei der Bürgermeisterwahl 63,5 Prozent und damit fast zweimal mehr als seine Partei bei der Landtagswahl (34 Prozent).

Für Parteien ist das mühsam. In Dornbirn und Lustenau etwa hat die ÖVP ihre Bürgermeister-Kandidaten Julian Fässler und Patrick Wiedl in der ersten Runde überraschend klar nicht durchgebracht, müssen beide in die Stichwahl. Es ist andererseits aber ein Zeichen lebendiger Demokratie: Wähler sind unberechenbarer denn je, sie verhalten sich mehr denn je so, wie sie es für richtig erachten.

Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.