Größenwahn, gar nicht geheim

Vor wenigen Tagen erhielt ein amerikanischer Journalist, Jeffrey Goldberg von der Zeitschrift The Atlantic, die ungewöhnliche Einladung, einer Chatgruppe im Messengerdienst Signal beizutreten. Die Einladung kam von Michael Waltz, Donald Trumps Nationalem Sicherheitsberater. Goldberg konnte es kaum glauben und dachte zunächst an eine Falle. Schließlich gehört er zu jenen kritischen Journalisten, die zu Pressekonferenzen in Washington nicht mehr eingeladen werden, und denen die US-Regierung das Handwerk legen will. Doch bald stellte sich heraus, die Chatgruppe, in die er – offenbar durch irgendeine Verwechslung oder einen falschen Tastendruck – geraten war und deren Konversation er tagelang ungestört folgen konnte, sie war so etwas wie ein spontan zusammengerufenes Kriegskabinett. Da plauderten Verteidigungsminister Pete Hegseth, Außenminister Marco Rubio, Vizepräsident JD Vance, und andere zentrale Figuren der US-Administration ganz offen und mit Vergnügen über die Frage ob, und wann und wie, die Houthi Milizen im Jemen bombardiert werden sollen, um einmal wieder Stärke zu demonstrieren.
Was bleibt ist ein Skandälchen, denn vielen Amerikanern ist es inzwischen völlig egal, was in der Realität passiert.
Offenbar braucht es in den USA keine Whistleblower und kein Wikileaks mehr. Die Putschisten im Weißen Haus sind größenwahnsinnig genug, ihre Staatgeheimnisse in einem Onlinedienst zu diskutieren der jederzeit von russischen oder anderen Amateuren gehackt werden kann. Und aus Versehen laden sie noch einen Journalisten dazu ein.
Im Chat ging es dabei keineswegs nur um top-geheime militärische Details. Die Herren lassen auch ihrer Verachtung für Europa freien Lauf. Da der Suezkanal, dessen Schifffahrtsweg immer wieder von den Houthis angegriffen wird, vor allem den europäischen Handel, und nur wenig die USA betrifft, findet Vize JD Vance, das Bombardement würde sich doch gar nicht lohnen. „Ich hasse es, schon wieder den Europäern aus der Patsche zu helfen“ meint er. Aber offenbar möchte Trump beweisen, dass er auch als Kriegsherr und nicht nur als Immobilienmakler zuschlagen kann. Und seine Truppe hört auf ihn.
Was bleibt ist ein Skandälchen, denn vielen Amerikanern ist es inzwischen völlig egal, was in der Realität passiert. Solange sie auf ihrem Handy mit den Fakenews herumspielen können, die ihnen ihr Präsident auftischt, egal aus welcher Quelle sie stammen.
Um dieses Vergnügen eines Bundeskanzlers, der seine Fakten aus russischen Kanälen bezieht und ein paar Parteifreunde in Uniform schon mal den Geheimdienst ausräuchern lässt, sind wir in Österreich ja gerade noch einmal haarscharf herumgekommen.
Hanno Loewy ist Direktor des Jüdischen Museums in Hohenems.