Wer wirklich ärmer wird

WIFO-Chef Felbermayr ortet einen Wohlstandsverlust. Das trifft jedoch nicht auf alle zu.
SCHWARZACH. Gabriel Felbermayr, Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts WIFO, spricht von einem Wohlstandsverlust und bekräftigt, dass alle ärmer werden würden. Experten aus Vorarlberg und darüber hinaus halten wenig davon. Genauer: Es sei „missverständlich“, erklärt Fiskalratschef Christoph Badelt, ein Sozialökonom: Felbermayr beziehe sich auf die Entwicklung der realen Wirtschaftsleistung (BIP) pro Kopf.
Sie ist schlecht: In Österreich ist sie 2024 zum zeiten Mal in Folge zurückgegangen und mit 44.740 Euro sogar niedriger gewesen als 2019 (45.730 Euro). Ausschlaggebend dafür waren Rezession, Inflation und Bevölkerungswachstum: „Insofern meint Felbermayr, dass wir als Volkswirtschaft ärmer werden“, so Badelt. Das lasse jedoch keine Rückschlüsse auf Einzelne zu: „Der eine hat mehr, der andere weniger. Insgesamt glaube ich nicht, dass wir heute ein größeres Armutsproblem haben als vor einem Jahr.“
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„Der Begriff Wohlstandsverlust ist irreführend, weil er unterstellt, ein sinkendes BIP sei gleichbedeutend mit einem Rückgang des Lebensstandards“, bekräftigt der Vorarlberger Pirmin Fessler, der bei der Nationalbank tätig ist: „Das reale BIP misst lediglich die bezahlte wirtschaftliche Aktivität, nicht aber Lebensqualität, Nachhaltigkeit, Verteilung oder unbezahlte Arbeit. Es sagt also nichts darüber aus, wie es den Menschen tatsächlich geht.“
Das heißt umgekehrt aber auch nicht, dass alles gut ist: „In der aktuellen Lage trifft die wirtschaftliche Belastung vor allem Haushalte mit niedrigen Einkommen, weil sie kaum Reserven haben und ein Großteil ihres Budgets für lebensnotwendige Ausgaben wie Wohnen, Energie und Lebensmittel gebunden ist. Auch die Inflation belastet jene stärker, die ohnehin wenig haben und nicht im Eigentum leben und daher auch Miete zahlen müssen.“

Das sei in Vorarlberg ein besonderes Problem, betont Dominic Götz von der AK Vorarlberg, weil die Wohnkostenbelastung hierzulande größer sei als in anderen Bundesländern: Es gebe mehr Menschen, die im teureren Privatmietwohnungssektor leben.
Massiv verlieren können laut Götz gerade in einer Rezession aber auch jene, die plötzlich ohne Job dastehen. Sie kann es sogar doppelt treffen: Sie bekommen erstens ein Arbeitslosengeld, das niedriger ist als ihr Lohn und das zweitens nie angepasst wird.
Wohlstandsverlust ist auch, wenn gewisse Dinge unerschwinglich werden. Ein Eigenheim etwa. Mit Armut ist das aber nicht gleichzusetzen. „Wir haben so gut wie keine absolute Armut“, betont Götz, „sehr wohl aber relative.“ Sie steht dafür, dass Betroffene deutlich weniger als der Durchschnitt haben und daher schwerer am gesellschaftlichen Leben teilhaben können.
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Dazu zählen könnten viele der 23 Prozent der Vorarlberger, die bei er jüngsten „Statistik Austria“-Erhebung zur sozialen Lage erklärt haben, sich keinen Urlaub leisten zu können; oder die 20 Prozent, die angeben, dass regelmäßige Freizeitaktivitäten, die Geld kosten, für sie unerschwinglich seien. Eher „klassische“ Armut könnte bei den sechs Prozent vorliegen, für die keine Hauptmahlzeit mit Fisch, Fleisch oder vegetarisch an mindestens jedem zweiten Tag drin ist. Auffallend bei der Erhebung, die vier Mal jährlich durchgeführt wird: Es gibt nicht mehr und mehr Menschen, die finanzielle Schwierigkeiten haben, bei einem Teil von denen, bei denen das der Fall ist, werden die Schwierigkeiten jedoch größer.