Doris Knecht

Kommentar

Doris Knecht

Kolumne: Der kleine große Maulwurf

Vorarlberg / 28.04.2025 • 13:50 Uhr

Eine Lieblingssendung meiner Kindheit: Der kleine Maulwurf. Wenn ich mir das jetzt anschaue, finde ich es etwas nervig und ziemlich betulich, vor allem aber extrem unkorrekt, weil dieser kleine Maulwurf die meiste Zeit seines Tages über der Erde verbringt, und mit Freunden spielt, die ihn im richtigen Leben mit einem Haps auffressen würden. Was auch im richtigen Leben stimmt: der Maulwurf ist nervig. Mehr noch: Ein echter Saboteur.  

Bei mir ist es ja so: Fast überall darf es wild wachsen, Flieder, Hasel und Holunder, Giersch und Brennesseln, Löwenzahn, Vergissmeinnicht und Habichtskraut. Nur einen kleinen Teil meines Gartens rasier ich penibel mit dem Rasenmäher: wo der Tisch steht, vor dem Bänkle und auf den Wegen, die zu meinem Haus führen. Ich würde mal sagen: vier Fünftel meines Grundstücks sind ungemäht, und alle Tiere – Insekten, Vögel, Nagetiere, Reptilien, Nachbars Katzen – machen dort, was sie wollen.  

Alle Tiere? Nicht alle. Denn ein Tier interessieren diese vier Fünftel nicht: den Maulwurf. Jedenfalls nicht der, der letzten Winter in meinem Garten eingezogen ist. Denn da, wo es mir egal ist, will dieser Maulwurf seine Hügelsiedlung nicht errichten, sondern ausschließlich dort, wo es mich stört. Im Winter habe ich ihm dabei zugesehen, wie er einen Hügel nach dem anderen aufgeworfen hat: ausschließlich auf meinen Wegen und direkt um mein Haus herum. Und was heißt Hügel: Erdberge waren das, sieben Schubkarren voll habe ich im Frühling abgetragen und damit das Hochbeet wieder aufgefüllt. 

Dem Maulwurf war das wurscht, er hat weiter gehügelt, vorzugsweise auf dem schmalen gemähten Weg, der zu meinem Haus führt. Nachdem ich mir deswegen im Dunkeln zweimal fast den Hals gebrochen habe, entschloss ich mich zu handeln. Hinterm Haus lag noch ein Stapel Granulit-Steinplatten, die schleppte ich herbei, puzzelte damit einen Weg zusammen, stach die Ränder ab und baute dann jede einzelne in die Erde ein, 57 Platten, mit schmalen Abständen dazwischen, in denen das Gras wieder wachsen darf. Eine Heidenarbeit wars. Nimm das, Maulwurf, kein Gestolper mehr. 

Ich war noch nicht fertig, konnte ich schon beobachten, wie aus einem dieser Abstände von unten her Erde ausgeworfen wurde. Ich trampelte die Erde zornig wieder runter, der Maulwurf wartete fünf Mintuen und warf sie dann wieder rauf. Als ich schlafen ging, waren zwei große Hügel aus dem Steinweg gewachsen, heute früh sind es schon vier, nein, wie gerade sehe: fünf. 

Der Maulwurf und ich müssen dringend reden. Ich werde in dem Gespräch, um mich besser verständlich zu machen, wohl so einen surrenden Erdpflock verwenden, den ich für mich sprechen lasse. Überall anders, Maulwurf! In der Wiese, unter den Bäumen, unten beim Bach. Aber nicht auf meinem Steinplattenweg, da bleib ich jetzt stur. 

Doris Knecht ist Kolumnistin und Schriftstellerin. Sie lebt mit ihrer Familie in Wien und im Waldviertel.