Ehe mit Doppelmord und „moderne“ Ehe

Leoncavallos „Pagliacci“ und Schönbergs „Von heute auf morgen“ in Innsbruck
Innsbruck Das Tiroler Landestheater hat für die letzte Produktion dieser Spielzeit Leoncavallos „Pagliacci“ (1892) nicht, wie gewohnt, mit Mascagnis „Cavalleria rusticana“ kombiniert, sondern mit Schönbergs erster Zwölfton-Oper aus dem Jahr 1930, „Von heute auf morgen“. In beiden Opern geht es um Ehedramen, einmal als Tragödie, einmal als Komödie.

Die Regisseurin Jasmina Hadžiahmetovič verlegte die Handlung des „Bajazzo“ in einen kleinstädtischen Festsaal um 1970, wo sich eine bunte Hochzeitsgesellschaft eingefunden hat (Bühnenbild Susanne Gschwender, Kostüme Aleksandra Kica). Hadžiahmetovič ist der Versuchung entgangen, aktuelle Beziehungen zu Femiziden herzustellen. Leoncavallos Musik lässt allen Beteiligten Gerechtigkeit widerfahren: dem alternden Bajazzo Canio, der die Untreue seiner Frau Nedda nicht erträgt; dieser Nedda, die von einem freien Leben mit ihrem jungen Liebhaber Silvio träumt; dem verunstalteten Tonio, dessen Liebeserklärung und Besitzanspruch Nedda zurückweist und Silvio, der hier vom Bauern zum Pfarrer verwandelt wird. Musikalisch überzeugte die Produktion durchwegs: Unter der differenzierten Leitung von Gerrit Prießnitz setzte das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck die manchmal grellen Farben der Partitur perfekt um, der Chor war sehr gut disponiert.

Marie Smolka gestaltete die lebenshungrige Nedda glaubwürdig und mit schöner Stimmgebung, der imposante Canio des Xavier Moreno klang nur manchmal etwas gepresst, großartig Aris Argiris als rachsüchtiger Tonio. Stimmlich überstrahlte Jacob Philips (2024 in „Gianni Schicchi in Bregenz zu hören) als Silvio seine Konkurrenten noch einmal.

Dann der Sprung in ein starkfarbiges Wohnzimmer mit einer klobigen Sitzgruppe und einem großen Kühlschrank. Eine surrealistische Klammer verbindet beide Opern: Schon im „Bajazzo“ war ein Kind mit Kaninchenmaske (Alice im Wunderland?) aufgetreten, das hier wiederkehrt, in einem Bilderrahmen sieht man wechselnde Szenen vom Liebesspiel der Feldhasen.

Ein Mann und eine Frau kehren von einem Fest nach Hause zurück, der Mann schwärmt seiner Frau von deren Freundin vor, sie kontert mit einem Tenor, der ihr den Hof gemacht hat. Plötzlich tritt die Frau in einem glamourösen Kleid auf, will ein Leben mit vielen Liebhabern führen und weist die Fürsorge für ihr Kind zurück. Der Mann verliebt sich neu, schließlich finden sich die beiden wieder, und als Freundin und Tenor auftauchen, blitzen sie bei den beiden ab. Sie sind doch keine „modernen Menschen“, die eine offene Beziehung führen wollen. Das in Alltagssprache gehaltene Libretto von Schönbergs zweiter Frau Gertrud verbreitet komödiantische Atmosphäre, mit der die aufgeladene, hochexpressive Musik seltsam kontrastiert.

Schönbergs erste Frau Mathilde floh aus der zerrütteten Ehe in eine Affäre mit dem Maler Richard Gerstl, der Selbstmord beging, nachdem der Gatte die Rückkehr Mathildes erzwungen und Gerstl sozial isoliert hatte – seltsamerweise wird dieser düstere biographische Hintergrund nirgends im Programm erwähnt. Darstellerisch und sängerisch großartig die beiden auch blendend aussehenden Protagonisten Mojca Erdmann und Benjamin Chamandy, die das verlangte leichte Parlando mit gelegentlichen ariosen Ausbrüchen perfekt beherrschen; auch Jason Lee als Sänger und Anastasia Lermann als Freundin überzeugen. Absolut bravourös das Orchester, das die extrem herausfordernde Partitur engagiert umsetzte.
Ulrike Längle