„Ich bin zu Ende mit allen Träumen“

Vorarlberg / 29.06.2025 • 13:30 Uhr
Ilker Arcayürek Ammiel Bushakevitz
Stehende Ovationen für Ilker Arcayürek und Ammiel Bushakevitz. schubertiade

Herausragende „Winterreise“ und schwächelndes Mandelring-Quartett bei der Schubertiade.

Schwarzenberg Es gab eine lange Stille, bevor stehende Ovationen ausbrachen, nach einer exzeptionellen „Winterreise“ mit Ilker Arcayürek und Ammiel Bushakevitz am Freitagabend bei der Schubertiade. Die beiden jungen Künstler waren 2024 erstmals in Schwarzenberg mit der „Schönen Müllerin“ aufgetreten, die sie zudem am Mittwoch als Einspringer für den erkrankten Patrick Grahl und Daniel Heide noch einmal vortrugen.

Mandelring Quartett
Das Mandelring-Quartett konnte in diesem Jahr nicht durchgängig überzeugen. schubertiade

Adorno (den heute niemand mehr zitiert) hat über Schubert geschrieben: „Wir weinen, ohne zu wissen warum; weil wir noch nicht so sind, wie jene Musik es verspricht, und im unbenannten Glück, dass sie nur so zu sein braucht, dessen uns zu versichern, dass wir einmal so sein werden.“ Schmerz und Trost in einem also, und genau das vermittelte diese „Winterreise“. Von diesem Liederzyklus erwartet das Publikum existenzielle Erschütterung. Und wie die beiden Musiker den Gang des verlassenen Liebhabers durch eine öde Winterlandschaft gestalteten, ging unter die Haut. Arcayürek begann das „Fremd bin ich eingezogen“ fast resigniert, steigerte die Intensität, um dann in zartest gehauchtem Piano zu schließen. Sein Tenor klang manchmal eher metallisch als samtig rund, er führte ihn mit sehr guter Textverständlichkeit durch alle Nuancen, besonders beeindruckend die hohen, im piano klangvoll gehauchten Töne.

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Der „Lindenbaum“ entwickelte sich von einem entrückten Anfang über die heftigen „kalten Winde“ zu einem nobel nostalgischen Schluss. Ganz anders etwa „Rückblick“, wo unter der romantischen Patina der blanke Horror der existentiellen Verlassenheit hervorbrach. Im abschließenden „Leiermann“ klang Arcayürek wie aus einer anderen Welt. So noch nie gehört war das Crescendo auf dem letzten Wort von „Deine Leier drehn“, ein überraschend kraftvoller Akzent, der Hoffnung auf ein Weiterleben machte.

Ilker Arcayürek Ammiel Bushakevitz
Ilker Arcayürek und Ammiel Bushakevitz. schubertiade

Der Lorbeer gebührt aber in ebensolchem, wenn nicht noch größerem Maße Ammiel Bushakevitz am Klavier. Wie er den Flügel schon in den einleitenden Takten zu „Gute Nacht“ mit einem unglaublich weichen, gefühlvollen Legato zum Singen brachte, wie plastisch er etwa die gefrorenen Tränen im gleichnamigen Lied hintupfte, wie dräuend er die rollenden Begleitfiguren beim Bellen der Hunde „Im Dorfe“ spielte, das war von beispielloser gestalterischer Intensität, Intelligenz und Schönheit. Mit diesem Pianisten könnte man sich die „Winterreise“ sogar ohne Sänger anhören.

Mandelring Quartett
Mandelring Quartett. schubertiade

Das Konzert des Mandelring-Quartetts am Nachmittag hingegen war von unterschiedlicher Qualität. Die einleitenden „Vier komischen Ländler“, D 354, für zwei Violinen zeigten Schubert als volkstümlichen Tanzbodenkomponisten. Primgeiger Sebastian Schmidt und seine Schwester Nanette wechselten sich in den Stimmen ab und gaben den reizvollen Stücken jeweils ihr charakteristisches Gepräge: ländliche Idylle mit Trillern, slawisch-melancholische Miniatur in Moll mit leeren Quinten in der zweiten Geige, und zwei fröhliche Tanzweisen. Man könnte sich diese Stücke gut statt der jetzt gespielten Hornduos vorstellen, die das Publikum in den Saal locken.

Mandelring Quartett
Mandelring Quartett zu zweit. schubertiade

Dann stand eines der bekanntesten Schubert-Quartette auf dem Programm, das sogenannte „Rosamunde“-Quartett, D 804. Überraschend hörte man zu Beginn besonders deutlich die Begleitgirlanden der zweiten Violine, sonst klang alles sehr gedämpft, abgesehen von den dramatischen Einwürfen und der Steigerung in der Durchführung. Das lag vor allem am Primgeiger, der sein Instrument einfach nicht zum Klingen brachte und zu leise spielte. Trotz des perfekten Zusammenspiels und der schön ausgespielten Phrasen des Cellos, trotz des temperamentvollen Bratschensolos im Schlusssatz blieb die Interpretation farblos und spannungsarm, wie ein schwacher Löschblattabdruck des vollen Notentextes.

Ilker Arcayürek Ammiel Bushakevitz
Ilker Arcayürek und Ammiel Bushakevitz. schubertiade

Es brauchte ein temperamentvolles Werk des erst vierzehnjährigen Schubert, um den Primgeiger wieder zum Leben zu erwecken, seine Ouverture in c-Moll. Zum Höhepunkt wurde dann das dritte der späten Rasumowsky-Quartette von Beethoven. Hier gelangte das Quartett wieder zu seiner gewohnten Form, vom tastenden Beginn an über die fremdartige Melodie im Sechsachteltakt des zweiten Satzes, wo die Violine endlich wieder richtig sang, bis zum Höhepunkt der Schlussfuge, die sich in motorischem Furor in leidenschaftliche Kaskaden stürzte. Jubelnder Applaus, als Zugabe versetzte das Adagio aus Haydns Opus 1/Nr. 1 mit seiner verträumten Geigenkantilene das Publikum in himmlische Ruhe.

Ulrike Längle