Bauarbeiter, Lehrperson und Physiotherapeut: Wo KI (noch) nicht mithalten kann

Eine kürzlich erschienene Studie von Microsoft zeigt, in welchen Bereichen Künstliche Intelligenz (noch) an ihre Grenzen stößt. Dr. Sabrina Schneider von der FHV erklärt, warum der Mensch gerade dort unersetzlich bleibt – und weshalb es dabei nicht nur um Technologie, sondern auch um ethische Verantwortung geht.
Darum geht’s:
- KI kann soziale und empathische Aufgaben nicht vollständig ersetzen.
- Berufe mit menschlichen Fähigkeiten bleiben in naher Zukunft unschlagbar.
- KI führt zu Veränderungen und neuen gesellschaftlichen Fragen.
Dornbirn Was macht Arbeit eigentlich aus, und was bleibt davon, wenn Maschinen mehr übernehmen können? Diese Frage stellen sich immer mehr Menschen angesichts der rasanten Entwicklung Künstlicher Intelligenz (KI). Nicht jeder Job ist gleich gefährdet, und nicht alles, was technisch denkbar ist, wird gesellschaftlich akzeptiert, sagt Sabrina Schneider. Sie ist Stiftungsprofessorin für Digital Business Transformation an der Fachhochschule Vorarlberg (FHV) und forscht seit über zehn Jahren im Bereich KI. Schneider sieht in der Debatte eine gefährliche Verkürzung: “KI kann vieles übernehmen. Aber ob wir das auch wollen, ist eine ganz andere Frage.”
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Gerade bei Tätigkeiten, in denen es auf soziale Intelligenz, Einfühlungsvermögen oder situatives Handeln ankommt, stoße KI an Grenzen. Zwar seien viele Aufgaben theoretisch automatisierbar, doch oft sei das weder wirtschaftlich sinnvoll noch menschlich gewünscht. “Wir erleben gerade einen Wandel, der weit über Technik hinausgeht”, so Schneider. Es sei auch eine Frage von Werten, Vertrauen, Menschenbild und gesellschaftlichem Konsens.
Menschliche Nähe bleibt untersetzlich
Zugleich sieht Schneider ein deutliches Muster: Tätigkeiten, die entweder sehr menschlich oder sehr individuell sind, werden durch KI kaum vollständig ersetzbar sein – zumindest nicht in naher Zukunft. Vor allem dort, wo taktile, empathische Fähigkeiten oder situative Reaktionen gefragt sind, etwa in der Physiotherapie oder auf der Baustelle, bleibt der Mensch unschlagbar. Und auch im Bildungsbereich haben die Erfahrungen der Corona-Pandemie gezeigt, wie wertvoll persönliche Interaktion durch Lehrpersonen bleibt, betont die Betriebswirtin.
Microsoft-Studie “Working with AI”
Eine kürzlich erschienene Studie von Microsoft Research analysierte 200.000 reale Copilot-Nutzungen. Am häufigsten verwendeten Nutzer KI zur Informationsbeschaffung, zum Schreiben, für Hilfestellungen und Beratung. Besonders betroffen: sogenannte Knowledge-Work-Berufe wie Büroarbeit, Kommunikation, Verkauf, Mathematik und IT.
Die Studie gibt es hier: https://arxiv.org/pdf/2507.07935
Allerdings bedeutet das nicht, dass sich diese Berufe nicht verändern: Viele dieser Tätigkeiten könnten durch KI und Robotik in Teilbereichen ergänzt werden, etwa bei Dokumentation oder Organisation. In der Pflege etwa können KI-gestützte Assistenzsysteme Wasser verteilen oder das Geschirr abräumen, während menschliche Pflegekräfte sich auf den zwischenmenschlichen Aspekt konzentrieren. “Gerade in der Pflege haben wir nicht nur einen Fachkräftemangel, sondern oft auch kaum zumutbare Arbeitsbedingungen. Jede Unterstützung, die dem Patienten und dem Personal hilft, ist willkommen”, so Schneider.
“JOB-Futuromat”
Der „Job Futuromat“ zeigt, inwieweit Berufe in Zukunft automatisiert und Computer oder computergesteuerte Maschinen ersetzt werden können. Entwickelt wurde es vom Deutschen Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).

Ob diese Berufe dadurch tatsächlich besser bezahlt oder gesellschaftlich höher bewertet werden, sei offen: “Tätigkeiten, die KI nicht übernehmen kann und die gleichzeitig nur wenige Menschen machen wollen, werden voraussichtlich in der finanziellen Wertigkeit steigen, ganz klassisch durch Angebot und Nachfrage”, sagt Schneider. Ob das automatisch zu mehr gesellschaftlicher Wertschätzung führt, sei allerdings offen.
Frage nach Besteuerung
Neben Fragen der Arbeitsplatzsicherheit wird oft übersehen, wie stark KI auch unser Arbeitsverhalten beeinflusst. Während manche Beschäftigte erleichtert seien, dass KI ihnen repetitive oder belastende Aufgaben abnimmt, empfinden andere genau das als Verlust: “Ich habe Mitarbeitende erlebt, die sagen: ‚KI nimmt mir gerade das weg, was ich gerne gemacht habe.‘” Das könne zu Erschöpfung oder zu psychischem Druck führen.

Diese Entwicklungen bringen neue gesellschaftliche Fragen mit sich: Was passiert mit der Zeit, die durch KI frei wird? Müssen wir nach wie vor acht Stunden konzentriert arbeiten? Wie können Unternehmen sie sinnvoll nutzen oder vielleicht sogar zurückgeben? Auch die Frage nach der Besteuerung von KI-Arbeit müsse diskutiert werden. “Das ist keine neue Diskussion”, sagt Schneider. “Aber sie bekommt durch den KI-Schub eine neue Aktualität.”
Und letztlich bleibt die zentrale ethische Frage: Wo wollen wir Verantwortung abgeben und wo nicht? Schneider formuliert es so: “Wir müssen diskutieren, was wir zulassen wollen, dass KI entscheidet. Und was menschlich bleiben muss.” Studien zeigen außerdem, dass die Akzeptanz für den technologischen Wandel stark kulturell geprägt ist. In Ländern wie Indien oder Südafrika wird KI im sozialen Bereich viel offener aufgenommen als in Mitteleuropa. In deutschsprachigen Ländern sei die Skepsis deutlich größer.
Diese Berufe sind (noch) KI-resistent:

Ein Beispiel für Berufe mit Zukunft ist der Bildungsbereich. Während Lern-Apps und digitale Tutorien längst Alltag sind, habe sich in der Pandemie gezeigt: “Der Lernerfolg war oft geringer, die Motivation fehlte, weil die persönliche Interaktion nicht zu ersetzen ist.” KI könne jedoch helfen, Bildungsbarrieren abzubauen – etwa durch Übersetzungen oder individualisierte Unterstützung. “Aber der Mensch bleibt zentral als Motivator, Moderator und Bezugsperson.” canva

Berufe wie Maurer, Dachdecker oder Straßenbauer sind ebenfalls schwer ersetzbar. “Der Roboter müsste für jede Baustelle neu konfiguriert werden. Wirtschaftlich lohnt sich das in den meisten Fällen nicht”, ist Schneiders Einschätzung. Zudem brauche es auf Baustellen Flexibilität, handwerkliches Gespür. Selbst wenn künftig mehr Maschinen eingesetzt werden – das Bedienen, Überwachen und Interpretieren dieser Systeme bleibt Aufgabe des Menschen. canva

Operationen werden teilweise bereits mit Hilfe robotischer Systeme durchgeführt. Doch die Verantwortung bleibt beim Menschen. „Ein Roboter kann hochpräzise Bewegungen ausführen. Aber würden wir uns von ihm allein operieren lassen wollen? Ich glaube, wir möchten, dass ein erfahrener Chirurg zumindest daneben steht.“ Spannend findet Schneider die Idee des sogenannten „Ensembling“: Der Arzt stellt eine Diagnose – und lässt sich von der KI eine unabhängige Zweitmeinung einholen. Canva

Obwohl KI in der Lage wäre, einfache Haarschnitte zu automatisieren, bleibt das Berufsbild stark von Vertrauen, Kreativität und Individualität geprägt. Für spezielle Stylings oder persönliche Beratung fehlt Maschinen bisher die nötige Feinfühligkeit. Der Friseurberuf gilt daher als eher resistent gegenüber Automatisierung. canva

Pflegeberufe bleiben auch in Zukunft stark gefragt, nicht zuletzt wegen des akuten Personalmangels. KI kann einzelne Aufgaben wie Dokumentation oder Essensverteilung übernehmen, ersetzt aber weder Empathie noch menschliche Fürsorge. “Besonders im Umgang mit älteren oder pflegebedürftigen Menschen ist der persönliche Kontakt zentral”, lautet Schneiders Fazit. canva

Automatisierte Massagegeräte existieren bereits, doch sie reagieren nicht individuell auf die Körpersprache oder Spannungsverhältnisse von Patientinnen und Patienten. Gerade in der manuellen Therapie sind Einfühlungsvermögen und taktile Rückmeldung essenziell – Fähigkeiten, die Maschinen bislang nicht leisten können. canva

“KI-gestützte Chatbots können erste Impulse liefern oder bei leichteren Anliegen unterstützen”, sagt Schneider. Doch eine echte therapeutische Beziehung lässt sich bislang nicht digital abbilden. Vertrauen, Beziehung und emotionale Tiefe bleiben Grundpfeiler psychologischer Arbeit und damit menschlich. canva
Zur Person: Dr. Sabrina Schneider
Sabrina Schneider übernahm im März 2025 die Leitung der Forschungsgruppe Digital Business Transformation an der FHV – Vorarlberg University of Applied Sciences. Sie hat gleichzeitig die von der Firma Blum finanzierte Stiftungsprofessur inne. Mit der Stiftungsprofessur in „Digital Business Transformation“ geht es um gezielte Forschung für die Vorarlberger Betriebe. Zuletzt war die promovierte Betriebswirtin als Professorin am Management Center Innsbruck tätig.
