Kommentar: Krisenmanagement
Ich wundere mich immer wieder, wie selbst Spitzenpolitiker im Umgang mit Krisensituationen versagen. Jüngstes Beispiel: Die Causa des langjährigen ÖVP-Clubobmanns August Wöginger, die sich zum Super-PR-Desaster entwickelt. Weniger wegen des noch nicht feststehenden Urteils, sondern wegen des Umgangs der Partei damit. Da hat Wöginger ein Verfahren wegen Amtsmissbrauchs gerade noch mit einer Diversion überstanden. Aber anstatt sich still und leise zu freuen, dass die WKStA der Diversion und der Strafe von 44.000 Euro „gerade noch“ zugestimmt und Wöginger sich einen längeren Prozess mit entsprechender medialer Begleitmusik erspart hat, was tat die ÖVP-Spitze? Parteiobmann Stocker erklärte die Angelegenheit für erledigt, Wöginger sei unbescholten: „Unverändert stehen wir geschlossen hinter August Wöginger.“ Ob dieser plumpe Versuch, die Sache unter den Teppich zu kehren, die Oberstaatsanwaltschaft besonders angestachelt hat, wissen wir nicht.“ Jedenfalls hat sie der WKStA Einspruch gegen die Diversion aufgetragen. Der Ball liegt jetzt beim Oberlandesgericht Linz. Gutes Krisenmanagement in der Politik zeigt sich nicht in Fehlerlosigkeit, sondern daran, wie offen, empathisch und entschlossen Führungspersonen reagieren, sobald die Krise sichtbar wird. Ehrliche Kommunikation und sichtbare Verantwortungsübernahme sind die Erfolgsfaktoren. Wo waren die im Fall Wöginger? Wenn ich daran denke, wofür alles die Politik Berater engagiert: Ich würde Fachberatung zum Krisenmanagement empfehlen.
Fast täglich kommen neue Missbrauchsfälle ans Licht, die der Führung zum Teil schon lange bekannt waren.
Das gilt auch für NGO`s wie das SOS-Kinderdorf. Fast täglich kommen neue Missbrauchsfälle ans Licht, die der Führung zum Teil schon lange bekannt waren. Selbst die Vorwürfe gegen Gründer Hermann Gmeiner kannte man intern schon länger. Erst jetzt – nach Berichten der Zeitung „Falter“ – wurden sie öffentlich gemacht. Hinweise auf Misshandlungen und sexualisierte Gewalt wurden intern dokumentiert, aber nicht an externe Stellen wie Staatsanwaltschaft oder an die Kinder- und Jugendhilfe weitergeleitet und unter Verschluss gehalten. Viele Fälle blieben vertraulich „um die Organisation zu schützen“ oder „um Betroffene zu schonen“. Teile der Geschäftsführung, die schon früher bei Beschwerden im Amt waren, sind an der angeblichen Aufarbeitung beteiligt geblieben. Erst jetzt wurden erste personelle Konsequenzen gezogen.
Manchmal ist in der Politik guter Rat teuer. Hat ein Sager einmal eine Eigendynamik in der medialen Diskussion erhalten, ist es schwer, aus der Nummer wieder herauszukommen. Das sehen wir an der Äußerung des deutschen Bundeskanzlers Merz zum „Stadtbild“. Menschen ohne dauerhaften Aufenthaltsstatus, die sich nicht an Regeln halten, würden teilweise das öffentliche Bild in den Städten prägen und führten dazu, dass viele Menschen Angst haben sich im öffentlichen Raum zu bewegen. Merz wollte damit sagen, etwas verklausuliert, dass Ausländer und vor allem Asylsuchende in der Kriminalstatistik überdurchschnittlich vertreten sind. Mit der Forderung, diese konsequent abzuschieben. Obwohl die Analyse der Realität entspricht: Massive Kritik in den Medien, Tausende demonstrieren (das tun die Deutschen gern), die Aussagen von Merz seien diskriminierend und rassistisch. Die deutsche Bevölkerung sieht das anders. Bei einem ZDF-Politbarometer stimmten 63 Prozent der Aussage zu, 33 Prozent sagten, sie fühlten sich an öffentlichen Orten unsicher. Österreich ist die Stadtbild-Diskussion bisher erspart geblieben, obwohl ÖVP-Obmann Stocker die Merz-Aussage unterstützt hat. Er hat die Probleme im Stadtbild als eine „Beschreibung der Wirklichkeit“ bezeichnet und es keinen Sinn habe, so zu tun, als gäbe es diese Probleme nicht.
Wolfgang Burtscher, Journalist und ehemaliger ORF-Landesdirektor, lebt in Feldkirch.
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