Worte, Klang und offener Dialog

Das Streichtrio Tractatus und die Poetry-Slamerin Lia Hartl traten in der Bludenzer Remise auf.
Bludenz Wie reagieren Worte auf Klang und Klang auf Worte? Dieser Frage stellten sich am vergangenen Freitag in der Bludenzer Remise das Streichtrio Tractatus und die Poetry-Slamerin Lia Hartl. Im Mittelpunkt stand die Idee, zeitgenössische Kompositionen mit gesprochener Sprache zu verweben – nicht als Begleitung, sondern als gleichwertige Partner im Gespräch. Das Ensemble Tractatus – Monica Tarcsay (Violine), Karoline Kurzemann-Pilz (Viola) und Fabian Jäger (Violoncello) – interpretierte Werke des Vorarlberger Komponisten Marcus Nigsch, dessen Musik zwischen struktureller Klarheit und gestischer Freiheit schwebt. Unter der Oberfläche dieser Stücke liegt oft eine stille Spannung, die sich erst im gemeinsamen Spiel entfaltet – ein Hören aufeinander, das mehr mit Intuition als mit Planung zu tun hat.

Lia Hartl, die vor kurzem die österreichische Poetry-Slam-Meisterschaft gewonnen hat, brachte mit ihren Texten eine markante, rhythmisch präzise Sprache ein, die in ihrer Direktheit eine starke Energie entfaltete. Ihre Worte waren zugleich präzise gesetzt und offen für den Moment, reagierten auf musikalische Impulse, griffen Stimmungen auf und ließen Raum für Improvisation. Zwischen Stimme und Instrumenten entstand ein enges Wechselspiel – manchmal impulsiv, manchmal zurückgenommen, immer aufmerksam. Nicht jeder Übergang wirkte geglättet, und gerade darin lag die Kraft des Abends. In dieser Unvorhersehbarkeit, im Aufeinanderprallen von Klang und Wort, zeigte sich die produktive Reibung zwischen den Künsten: Musik, die auf Sprache antwortet, Sprache, die musikalische Strukturen aufnimmt und weiterführt. So entstand keine klassische Fusion, kein „Crossover“, sondern eine Form von Echtzeit-Komposition, in der jede Reaktion ein kleines Risiko bedeutete – und jede Geste zugleich eine Einladung.

Das Projekt überzeugte durch seine Haltung, seine Neugier und seinen Mut zum Experiment. Es zeigte, dass künstlerischer Dialog nicht immer Harmonie bedeutet, sondern Spannung, Irritation und Resonanz – und dass gerade darin das Lebendige liegt. Ein Abend, der auf weitere Begegnungen hoffen lässt, auf neue Formen des Zuhörens und Antwortens zwischen Wort und Ton.
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Marcus Nigsch ist auch sonst äußerst umtriebig: Der amerikanische Kinofilm „The Spies Among Us“ der Regisseure Gabe und Jamie Silverman, für den Nigsch die Filmmusik komponierte, wurde bei einem internationalen Filmfestival in Polen mit dem Hauptpreis der Jury als „Beste Dokumentation“ ausgezeichnet. Zudem wurde seine Auftragskomposition des Musikvereins Steiermark „In Jubilo“ von den Grazer Philharmonikern im Stefaniensaal am 3. und 4. November uraufgeführt.