Er hat Bücher nur „en gros“

Wetter / 09.01.2013 • 20:37 Uhr
Norbert Klien hat schon Anfang der 1980er-Jahre für den Österreichischen Buchclub „Fabulierwettbewerbe“ in Szene gesetzt. Foto: VN/Matt
Norbert Klien hat schon Anfang der 1980er-Jahre für den Österreichischen Buchclub „Fabulierwettbewerbe“ in Szene gesetzt. Foto: VN/Matt

Mit Büchern handeln tut so mancher. In Klassenstärke hat sie Norbert Klien griffbereit.

Dornbirn. (VN-tm) Wenn Schüler im Unterricht über Epen stolpern oder abends zu Hause vom Fernseher verscheucht werden, weil ihnen die Klassenlehrerin ein Buch zur geflissentlichen Lektüre mit auf den Weg gab, dann fragt man sich: Woher kommt die ganze Literatur in Klassenstärke eigentlich? „30 mal bitte die ,Kleine Hexe‘ von Otfried Preußler.“ Bestellen Lehrer das so? Und wo?

Sie holen’s sogar selber ab, etwa bei Norbert Klien in der Bezirkslesestelle für Bregenz und Dornbirn. „Die kleine Hexe“ hat er übrigens wirklich im Programm. Die Bücher sehen noch genauso aus wie früher und warten im Karton 320 A darauf, in irgendeiner Klasse demnächst ausgeteilt zu werden. Kinderbuchklassiker halten sich ewig.

Das Lesen lässt ihn nicht los

Beinah so lange tut Norbert Klien hier schon Dienst. Der hohe Büroschrank mit dem geräuschvollen Rollladen, ein schwerer gläserner Aschenbecher und unzählige braune Schachteln, die den dämmrigen Lagerraum mit einem vertrauten Geruch aus Papier und Klebstoff erfüllen. Wer hier hereinkommt, hat an der Türschwelle auch eine Zeitgrenze überschritten.

Als Lehrer ist Klien mit seinen 68 Jahren längst in Pension. Aber die Lesestelle lässt ihn (noch) nicht los. Kunststück, schon in seinem ersten Dienstjahr hat Norbert Klien 1964 auf Bitten des Inspektors an der Volksschule Lauterach „die Lehrerbibliothek in Ordnung gebracht“.

Dabei hat er diese Aufgabe erst einmal „aus reinem Gehorsam“ übernommen: „Einem Vorgesetzten widersprechen, das hätte ich mich damals nie getraut.“ Das, beteuert Klien, sei er von daheim aus so gewohnt gewesen. Schon sein Vater war Lehrer. Und Musiker auch. Der Sohn hat dieselben Wege eingeschlagen. Wenn er sich nicht gerade um Bücher sorgte oder in der Klasse stand, war er als Chorleiter und Organist zugange.

Im Sommer Bücher geflickt

Das „Kümmern“ ums gedruckte Wort nahm bald handfeste Formen an. Manche Bücher gingen schon nach zwei, drei Einsätzen an der Pflichtschulfront aus dem Leim. Anfangs klemmte sich Klien 14 Tage im Sommer dahinter. Aber „das Bücherflicken hab ich rasch aufgegeben“. Ein Daueranliegen ist ihm bis heute geblieben, dass Kinder und Jugendliche überhaupt lesen.

Altersgrenze herabgesetzt

Das gelingt nur, wenn sie den Lesestoff verstehen und spannend erleben. Die Verlage nimmt Klien da kritisch in die Pflicht: „Die haben die Altersangaben der Bücher über die Jahre immer weiter nach unten gesetzt.“ Mit fatalen Folgen: Muss man in einer Schulklasse doch auch die schwächeren Leser im Boot behalten. Wen Lektüre aber überfordert, der geht ihr künftig aus dem Weg.

Wenn also Lehrerkollegen bei ihm hereinschneien mit der vagen Frage „Norbert, was kannst du mir empfehlen?“, dann fasst er automatisch lieber eine Altersstufe tiefer ins Regal. Im Übrigen empfiehlt er ihnen das stille Lesen weit mehr als „dieses blöde Lautlesen“ in der Klasse. Da schlägt er sich ganz auf die Seite der Schüler. „Jeder Lehrer hat auch das Recht sich vorzubereiten, wenn er laut vorlesen soll.“ Schüler unvorbereitet zum Vorlesen zu zwingen, führe zu mancher Blamage. Sowas kann den zarten Zugang in die Welt der Bücher schon nach wenigen Metern für alle Zeit verbauen.

Manche Jugendbuchklassiker halten sich ewig.

Norbert Klien

Zur Person

Norbert Klien

betreut die Bezirkslesestelle für Dornbirn und Bregenz

Geboren: 1944 in Dornbirn

Ausbildung: Pflichtschullehrer

Laufbahn: Lehrer u. a. in Lauterach, Buch und Dornbirn

Familie: geschieden, in Partnerschaft