Mutter mit Ablaufdatum

Wetter / 27.05.2013 • 17:45 Uhr
In ihrer Freizeit widmet sich Birgit Winkler der Musik und spielt unter anderem auch in einer Frauenband mit.  Foto: VN/Steurer
In ihrer Freizeit widmet sich Birgit Winkler der Musik und spielt unter anderem auch in einer Frauenband mit. Foto: VN/Steurer

Birgit Winkler engagiert sich bei pro mente für „Junge Menschen in Gastfamilien“.

Dornbirn. (VN-mm) Das Mädchen steckt kurz den Kopf zur Türe herein, grüßt artig und verschwindet wieder. „Unsere Gasttochter“, sagt Birgit Winkler mit einem Lächeln. Seit November gehört die 18-Jährige zur Familie. Hier erfährt sie Halt, Geborgenheit und Vertrauen. Elementare Dinge, die ihr das eigene Zuhause nicht bieten konnte. „Es ist eine herausfordernde, aber schöne Arbeit, solche Jugendlichen eine Zeit lang zu begleiten“, erzählt Birgit Winkler, selbst Mutter von drei Kindern. Seit 2010 nimmt sie im Rahmen des pro mente-Projekts „Junge Menschen in Gastfamilien“ (JuMeGa) immer wieder Mädchen und Buben aus schwierigen Verhältnissen auf und hat die Entscheidung noch nie bereut.

Der Aufgabe gestellt

Die Büroangestellte aus Dornbirn ist eine Frohnatur. Sie lacht gerne und viel und steht auch sonst mit beiden Beinen fest im Leben. Außerdem wohnt Birgit Winkler eine karitative Ader inne. Als sie noch in der Parzelle Heiligenreuthe wohnte, verköstigte sie zu Mittag die Schulkinder. „Ich bin halt so“, merkt sie unbefangen an. Dann erzählte ein Bekannter von JuMeGa und meinte, dass nach dem Auszug des Sohnes eh ein Zimmer frei wäre. Auch da brauchte die patente Frau nicht lange zu überlegen. Zweifel kamen ihr nur in Bezug auf den Gatten. „Aber der fand das ebenfalls super“, so Birgit Winkler. Mussten noch die beiden Töchter befragt werden. Immerhin teile man das ganze Haus miteinander. Darüber müsse man sich im Klaren sein. Schließlich beschied der Familienrat, sich der Aufgabe zu stellen. Keine Rolle bei dieser Entscheidung dürfe das Geld spielen. „Man muss dahinterstehen“, betont Winkler stattdessen. Es sei für die Jugendlichen ja auch nicht einfach, in eine fremde Familie zu gehen.

In diesem Fall sah es stets gut aus. Gäste und Gastfamilie waren sich bislang sofort grün. Mit dem ersten JuMeGa-Schützling steht Birgit Winkler immer noch in losem Kontakt. Unlängst hat sie die junge Frau besucht. „Voller Stolz zeigte sie mir, wie sie ihr Leben selbstständig gestaltet“, schildert Winkler, ebenfalls freudig beseelt, die Begegnung. Vorleben, wie Familie auch funktionieren kann, das sei für diese Jugendlichen besonders wichtig. „Davon können sie viel profitieren“, weiß die begeisterte Chorsängerin heute aus eigener Erfahrung. Sie gibt aber auch zu, dass sie beim ersten Gastjugendlichen „sehr nervös“ gewesen ist. „Ich hatte Angst, etwas falsch zu machen.“ Doch die Sache spielte sich schnell ein. „Geduld, Humor und die Gabe, nicht alles gleich persönlich zu nehmen“, listet Birgit Winkler als jene Attribute auf, die JuMeGa-Gasteltern unbedingt mitbringen sollten. Auch die Einsicht, dass die eigene Wahrheit nicht unbedingt die einzig gültige sein muss, hilft zuweilen weiter. „Man fängt an, über sich und das eigene Verhalten nachzudenken“, hat die Mutter mit Ablaufdatum festgestellt. „Was nie schaden kann“, merkt sie noch salopp an.

Eine „sinnvolle Arbeit“

Gleichwohl ihr Umfeld bezüglich des Engagements geteilter Meinung ist: Birgit Winkler würde es wieder machen. „Diese sinnvolle Arbeit sollten mehr Leute machen“, befindet sie. Man sei ja nicht allein. Die Unterstützung durch pro mente bezeichnet sie als gut. „Es ist immer jemand erreichbar.“ Aber Birgit Winkler macht den Eindruck, als ob sie das Heft ebenso fest in der Hand hält wie den E-Bass, auf dem sie seit Monaten übt. Ein Ausgleich, der ihr Spaß bringt. Sagt’s und lässt ein paar schräge Töne hören.

Geld darf bei dieser Entscheidung keine Rolle spielen.

Birgit Winkler

Zur Person

Birgit Winkler

Geboren: 25. September 1962 in Hard

Wohnort: Dornbirn

Familienstand: verheiratet, 3 Kinder

Beruf: Büroangestellte

Hobbys: Musik, Singen, Jassen
mit Freundinnen, Lesen, Garten, Familie