Erste Hilfe entscheidet oft

Mit Begeisterung bringt Christina Gstrein Menschen bei, im Notfall beherzt zuzupacken.
Bludenz. (VN-tm) Man kann die Fragen gar nicht so schnell stellen, wie die Antworten aus ihr heraussprudeln. Aber was soll sie machen? Christina Gstrein ist halt mit Leib und Seele beim Roten Kreuz. Seit sie eine Nacht lang „Schnupperdienst“ geschoben hat.
Routiniert wuchtet die zierliche junge Frau den dicken blauen Koffer in den Schulungsraum und schlägt eine graue Decke auf. Diese erste Nacht „in der alten Bludenzer Rotkreuz-Zentrale“ hat sie noch gut in Erinnerung. Nachdem alle ihre Freunde Zivildienst bei der Rettung machten und ihr davon erzählt hatten, war sie neugierig geworden. Sie ließ sich auch gerne auf den 16 Stunden langen Erste-Hilfe-Kurs ein als Voraussetzung für ihren ersten Nachtdienst als Gast. „Schließlich lagen die sechs Stunden für den Führerschein schon drei Jahre zurück“, da war einiges in Vergessenheit geraten.
Lehrbeauftragte seit 2011
Christina packt den Torso aus Kunststoff aus und legt ihn mit Nachdruck auf den Boden. An diesem Körper also üben Talentierte und passionierte Rippenbrecher ihre frisch erworbenen Künste aus. Christina hat sich 2011 zur Lehrbeauftragten ausbilden lassen. Seither gibt sie pro Monat zwei 16-Stunden-Kurse. Als sie der Puppe die Elektroden des Überwachungsgeräts anlegt, verstärkt sich der Eindruck, dass der Trainingspartner aus Plastik schon ganz viel mitgemacht hat. Wenn Christina Gstrein heute Erste Hilfe unterrichtet, bringt sie den Kursteilnehmern bei, wie man verletzten Motorradfahrern den Helm abnimmt oder Bewusstlose beatmet. Bei all dem gilt es zunächst, die Angst der Teilnehmer zu beseitigen. Darf ich auf den Brustkorb drücken? Wo setze ich an? Richte ich da nicht Schaden an? Tausendundeine Frage wischt Christina Gstrein mit einem bestechenden Argument beiseite: „Jede Bewegung auf dem Brustkorb bringt was. Wenn Du gar nichts tust, stirbt der Mensch.“ In Vorarlberg, sagt sie, ist das Versorgungsnetz so dicht geknüpft, „dass in zehn Minuten ein Rettungsmittel da sein sollte“. Diese ersten zehn Minuten aber entscheiden oft über Leben und Tod.
Inzwischen hat sie der Puppe ihre rechte Hand flach auf den Brustkorb gelegt und die Linke darüber. Schwungvoll beginnt sie zu pumpen, als müsste der Trainingspatient jeden Augenblick prustend und hustend wieder zu Bewusstsein kommen.
Was rund 10.000 Vorarlberger im Jahr beim Roten Kreuz lernen, hat Christina Gstrein auch schon selber anwenden können. Sie fuhr damals spätnachts durch Bludenz. Da lag ein Mann auf der Straße. Bewusstlos. Offenbar angefahren. Sie hielt an. Sicherte die Unfallstelle. Setzte einen Notruf ab. Dann hat sie ihm mit beiden Händen vorsichtig den Kopf überstreckt und sah: Er atmet. Sie hatte ihn kaum in stabile Seitenlage gebracht, als der Sanitätswagen schon um die Ecke bog.
Beruflich hat die leidenschaftliche Sportlerin einen anderen Weg eingeschlagen. Sie studiert Jus in Innsbruck. Aber nur vier Tage die Woche. Die andere Zeit arbeitet sie beim Roten Kreuz, macht ehrenamtlich drei Nachtdienste pro Monat und leitet die Jugendgruppe des Roten Kreuzes in Bludenz. Die zählt bis zu 40 Köpfe. Denen wird richtig was geboten. Und schon erzählt sie vom 24-Stunden-Tag, an dem Feuerwehr, Wasserrettung, Bergrettung und Rotes Kreuz ihr Zusammenspiel übten. „Da haben Häuser gebrannt, und Autos standen im Bachbett.“ Ihre Augen funkeln. Und da denkt man bei sich: Wen der Virus einmal gepackt hat . . .
Wenn Du gar nichts tust, dann stirbt der Mensch.
Christina Gstrein
Zur Person
Christina Gstrein
ist eine von 130 Lehrbeauftragten des Roten Kreuzes, die Wissbegierigen Erste Hilfe beibringt
Geboren: 9. Juni 1988 in Schruns
Ausbildung: HAK, derzeit Jus-Studium in Innsbruck
Laufbahn: Ausbildung zur Rettungssanitäterin und Erste-Hilfe-Lehrbeauftragte
Familie: Ledig