Von Kindern zu Kindern

Manfred Waibel feiert heuer sein 35-Jahr-Jubiläum als Betreuer in einem Ferienheim.
Oberbildstein. (VN-hk) Wenn für einen Lehrer Anfang Juli die Ferienglocken läuten, hat er von Kindern, mit Ausnahme der eigenen, eine Weile genug. Könnte man meinen. Nicht so Manfred Waibel. Der Lustenauer hat in den ersten beiden Ferienwochen seit 35 Jahren einen fixen Termin. Der führt ihn von den Schulkindern zu Ferienkindern. Ab nach Oberbildstein, heißt es dann für den Pädagogen, entweder als Küchenhilfe, als Kinderbetreuer oder als Heimleiter. Derzeit leitet er den ersten Turnus mit insgesamt 105 Kindern und 17 Betreuern. Der erste Turnus Oberbildstein ist für ihn zu einer Art Lebensfixpunkt geworden. Warum er sich diesen nur mit einer kleinen Entschädigung dotierten Job immer wieder antut, statt nach Schulende dem Müßiggang zu frönen? „Weil es Tradition ist. Viel mehr fällt mir als Antwort gar nicht ein.“
Die Tochter dabei
Man muss sich mit dem Heimleiter schon etwas länger unterhalten, um seine Beweggründe zu erahnen. Erst dann lässt sich seine tiefe Zuneigung zum Haus, zu den ihm anvertrauten Kindern, aber auch zu seinen Kolleginnen und Kollegen erkennen. „Wir sind hier alle für diese zwei Wochen eine Gemeinschaft, abgeschieden vom Rest der Welt. Das ist sehr schön.“ Manfred Waibel trägt ein Stück Ferienheim Oberbildstein schon längst in seiner Seele. Kein Wunder: Er war hier schon als Ferienheimkind, wie sein Vater, der das Traditionshaus, das heuer sein 100-jähriges Bestehen feiert, mit aufgebaut hat. Später dann gesellte er sich zu den Betreuern, mit seinen eigenen zwei Kindern als Feriengästen im Schlepptau. Jetzt ist seine Tochter Lisa selbst im Betreuerteam. Seit zehn Jahren ist Manfred Waibel Leiter des ersten Turnus. Einer von 18 Erwachsenen, die mit großem Erfolg um das Wohl von 100 Kindern bemüht sind.
Angenehmer Kontrast
Für Manfred Waibel ist vor allem eine Erkenntnis schön: „Die Kinder haben sich in all den Jahren, seit ich hier bin, eigentlich nicht verändert.“ Nicht unbedingt so sei das mit den Eltern. „Da gibt es vor allem zwei Extreme. Es gibt Eltern, die sehr kompliziert sind, und es gibt Eltern, die ihre Kinder bis zu einem gewissen Grad haben verwahrlosen lassen. Für diese Kinder ist es etwa nicht selbstverständlich, dass es bei uns geregelte Mahlzeiten zu festgesetzten Zeiten gibt.“ Die Beschäftigung mit Kindern in den Ferien stellt für Manfred Waibel einen oft angenehmen Kontrast zu seiner Lehrertätigkeit dar. „Im Ferienheim hast du natürlich einen anderen Blickwinkel auf die Kinder. Da kann derselbe, der dich in der Schule nervt, ganz anders sein. Wenn
du das Kind dann friedlich und entspannt schlafen siehst, gibt dir das ein gutes Gefühl.“
Das gute Gefühl
Überhaupt ist es das gute Gefühl, das am Ende der zwei Wochen für Waibel den Lohn seines Engagements ausmacht. „Wenn die Kinder weinen, weil die Zeit in Oberbildstein abgelaufen ist, oder weil sie aus Altersgründen nicht mehr kommen können, dann hast du wohl vieles richtig gemacht.“
Das gute Gefühl kommt natürlich auch dann auf, wenn Kinder während ihres Aufenthalts zu weinen aufhören. Einige von ihnen weinen nämlich am Beginn des Ferienlagers, wenn sie das Heimweh plagt. Doch das legt sich in den meisten Fällen bald. Aufhören zu weinen, so wünscht es sich nicht nur Manfred Waibel, möge bald auch der Himmel. Denn erst wenn die Sonne scheint, kann das Ferienheim Oberbildstein auch sein tolles Open-Air-Angebot entfalten.
Die Kinder haben sich in all den Jahren nicht verändert.
Manfred Waibel
Zur Person
Manfred Waibel
Geboren: 8. Oktober 1958
Beruf: Lehrer
Wohnhaft: Lustenau
Familie: Vater von zwei Kindern
Hobbys: Lesen, Mountainbiken
Lieblingsspeise: Käsknöpfle