„Bub, bleib’ am Boden“

Jetzt im Winter hat der Schuhmacher Bernhard Ganahl besonders viel Arbeit. Er passt Skischuhe an.
Schruns. (VN-kum) Zwei Berufe schwebten dem jungen Mann vor: Zimmermann und Schuhmacher. Sein Vater riet ihm vom Zimmerer ab. „Er sagte zu mir: ,Bub, du bist nicht schwindelfrei, bleib’ am Boden.‘“ Deshalb wurde Bernhard Ganahl Schuhmacher. Er absolvierte die Lehre im alteingesessenen Schuhhaus Sander in Schruns. Bernhard lernte dort viel, denn er hatte drei Lehrherren.
Vor dem Wegwerfen bewahren
„Im ersten Lehrjahr habe ich 50 Schultaschen repariert“, erinnert er sich. Weil er so geschickt war, durfte der Lehrling aus Bartholomäberg bald schon selber Schuhe anfertigen. „Zwei Tage habe ich an einem Paar gearbeitet.“ Früher ließ sich das Volk die Schuhe beim Schuhmacher machen. „Als ich das Schuhmacherhandwerk lernte, war das aber schon am Auslaufen.“ Reparaturen jedoch waren damals noch lukrativ. Bernhard besohlte Schuhe, flickte Taschen, erneuerte Reißverschlüsse, nähte Fußbälle zusammen. Aber auch dieses Geschäft ging in den 90er-Jahren markant zurück. „Heute wirft man Schuhe oder Taschen weg, nur weil eine Naht kaputt ist,“ bedauert der Schuhmacher, der gerade die Winterstiefel einer alten Frau neu besohlt. Bernhard ist aufgefallen, dass vor allem ältere Menschen Schuhe oder andere Dinge zum Reparieren bringen. „Die haben halt noch andere Zeiten miterlebt und schätzen das, was sie haben.“
Eine der schönsten Arbeiten ist es für ihn, „wenn ich auf einen schönen Lederschuh eine Ledersohle aufklebe“. Es macht ihn zufrieden, wenn er einen Schuh erhalten und ihn vor dem Wegwerfen bewahren kann. Von Billigschuhen, wie sie überall zu erwerben sind, hält der Schuhmacher nichts. „Die sind instabil und aus Synthetik. Ein Lederschuh ist stabil und für die Gelenke und Füße besser.“
Bernhard legt die Winterstiefel weg, steht auf und stellt ein Paar Skischuhe auf den Tisch. „Ich muss die Schalen verbreitern, damit sie dem Kunden besser passen“, sagt er und macht sich an die Arbeit. Vor zirka 20 Jahren spezialisierte sich Bernhards Chef, Richard Sander, auf die Skischuh-Anpassung. Inzwischen hat man sich auf diesem Gebiet einen sehr guten Ruf erarbeitet. „Die Leute kommen mit ihren Skischuhen aus dem ganzen Tal zu uns“, freut sich der 52-jährige Bartholomäberger, der dem Betrieb seit Jahrzehnten die Treue hält. Sein Beruf hat sich stark gewandelt. Heute passt er hauptsächlich Skischuhe an. „Wenn ich mit der Zeit nicht mitgegangen wäre, wäre ich unter die Räder gekommen“, ist sich der Schuhmacher sicher. Aufgrund seiner Flexibilität konnte er seinen Arbeitsplatz behalten. Aber gutes Handwerk ist nach wie vor gefragt. „Einmal kam eine junge Frau zu mir. Sie bat mich, aus ihren Lederstiefeln eine Tasche zu machen. Diese Arbeit hat mir voll getaugt.“ Bernhard ist kreativ. Er macht Ledergürtel und Gerätetaschen oder Riemen für die Kuhglocken. Außerdem gibt es kaum etwas, das er nicht flicken kann: Rucksäcke, Traktor- und Mopedsitze, Flaggen, Sonnenschirme … Sein Arbeitsplatz hat sich seit 37 Jahren nicht verändert. Er arbeitet in einer Werkstatt, die im Jahr 1930 eingerichtet wurde. Hier arbeitete schon der Vater seines Lehrmeisters, Richard Sander senior. Der Schuhmacher sitzt zwischen Hämmern, Zangen, Lederscheren, Vorstechern und Nähnadeln auf einem Schemel, den er bei seinem Eintritt im Jahr 1977 selbst mit Leder überzogen hat. Alles ist noch wie früher, nur seine Arbeit hat sich radikal geändert.
Als Schuhmacher habe ich mit der Zeit mitgehen müssen.
Bernhard Ganahl
Zur Person
Bernhard Ganahl
Geboren: 28. Mai 1962
Wohnort: Bartholomäberg
Familie: verheiratet, drei erwachsene Töchter
Ausbildung: Schuhmacher, Bergbauer
Hobbys: Landwirtschaft, Skifahren