Einmal Narr, immer Narr

Kaum einer ist so mit der Vorarlberger Faschingsszene verbunden wie der Hohenemser Albert Winsauer.
Hohenems. (VN-mip) Grölende Mäschgerle, laute Musik, Party, Konfetti, Krapfen: Das ist Fasching, zumindest oberflächlich. Aber Fasching ist mehr. Fasching ist Freiheit, ist Alltagsflucht. Fasching ist Psychohygiene, erklärt Albert Winsauer: „Heutzutage ist alles so ernst. In der Narretei kannst du frei sein, vor dem Alltag fliehen.“ Er muss es wissen. Wenn einer als Faschingsexperte bezeichnet werden darf, dann Albert Winsauer: Der Hohenemser ist seit über 40 Jahren der Narretei verpflichtet, zählte zu Vorarlbergs führenden Narren und war zwölf Jahre lang der oberste Funkenbauer des Landes. „Mittlerweile bin ich ein pensionierter Narr“, sagt Winsauer und beginnt sogleich zu erzählen, was er am Faschingswochenende noch vor hat. Pension klingt anders.
Albert Winsauer sitzt in seiner Küche, neben ihm Frau Hannelore, vor ihm Faschingskrapfen. Er erzählt: „Vom 11. 11. bis zum Aschermittwoch war ich kaum zu Hause. Fasching ist aber das ganze Jahr. Es gibt Veranstaltungen, Versammlungen, mittlerweile Sommerfeste.“ Was dazu kommt: Wer sich in Vorarlberg in der Narretei engagiert, trägt sein inneres Feuer meist nach außen. Auch Winsauer. Er ist Gründungsmitglied der Funkenzunft Schwefel in Hohenems und war lange Landesfunkenreferent. Winsauer erzählt über Funkenbau, über Sicherheit, argumentiert, weshalb der Funkensonntag nicht verlegt werden sollte. Ein Funktionstraditionalist, ein Funkenhistoriker: „Als ich 15 Jahre alt war, haben wir noch Autoreifen verbrannt, es war Müllentsorgung. Das ist heute nicht mehr erlaubt, was auch gut ist.“
Hannelore und Albert blicken von ihrem Wohnzimmer übers Rheintal. 1972 sind sie nach oben gezogen, zuvor wohnten sie in jenen Häusern, die in Hohenems Polentasiedlung genannt werden. In der Blütezeit der Textilindustrie lebten hier, direkt neben der Firma Otten, italienische Arbeiter. Auch Albert Winsauer begann seine berufliche Laufbahn als Musterzeichner bei Otten. Später wechselte er in die Schweiz. 2001 ging Winsauer in den Ruhestand.
Winsauer spricht breiten Vorarlberger Dialekt. Seine Frau erzählt: „Sobald wir über den Arlberg fahren, wechselt Albert ins Tirolerische.“ Albert Winsauer stammt aus Innsbruck, 1947 zog er als Sechsjähriger mit seiner Mutter nach Hohenems: „Ich war Entwicklungshelfer“, sagt er. Seine Frau lacht und erwidert: „Nein! Wirklich nicht!“ Er grinst. „Hannelore ist Uremserin. Sie wohnte einige Häuser weiter, wir haben uns in der Polentasiedlung kennengelernt. 1960 haben wir geheiratet.“ Wieder meldet sich Hannelore: „1962. Du machst uns zwei Jahre älter.“ Beide lachen. Das Ehepaar versteht sich blendend – kein Wunder, nach 55 Ehe- und 40 Faschingsjahren.
Fasching ist Erbmonarchie: Macht’s der Opa, macht’s der Sohn, macht’s der Enkel. Mittlerweile steht Albert Winsauers Sohn der Schwefler Funkenzunft vor. Dessen Sohn wiederum ist sein Vize. „Das Schöne am Fasching ist, dass Familie großgeschrieben wird. Familie ist das Wichtigste“, betont Winsauer.
Am Rosenmontag wird seine Heimat Hohenems zum Tollhaus. Die Nacht auf Faschingsdienstag ist längst zu einer Institution geworden: „Die Freinacht trägt ihren Namen zurecht. Man ist frei. Frei von Sorgen, frei vom Alltag, man kann tun, was man will“, schwärmt Winsauer. Er selbst wird aber nicht mehr um die Häuser ziehen. Schließlich muss er am Dienstag fit sein: „Ich besuche die Schnifner Zunft.“ Duri Duri trifft Kriasihogga Kriasihogga.
Im Fasching ist man frei von Sorgen und frei vom Alltag.
Albert Winsauer
Zur Person
Albert Winsauer
Vorarlberger Faschings- und Funkenlegende
Geboren: 6. Dezember 1941 in Innsbruck
Beruf: gelernter Musterzeichner in der Textilbranche, seit 2001 in Pension
Wohnort: Hohenems
Familie: verheiratet seit 1962 mit Hannelore, drei Kinder, fünf Enkel