Hellwach durch die Nacht

Walter Österle ist seit 45 Jahren Zeitungsausträger.
Bregenz Während sich die meisten in den frühen Morgenstunden noch einmal in ihren warmen Betten umdrehen, eilt Walter Österle schon längst von Briefkasten zu Briefkasten. Um zwei Uhr klingelt sein Wecker. Bevor es losgeht, trinkt er noch schnell ein Glas Wasser und isst eine Karotte. Nicht geschält, wie der Mann mit der roten Jacke und der grauen Kappe betont. „Karotten sollen ja angeblich für die Augen gut sein. Und ich benötige tatsächlich bis heute keine Brille“, sagt der 67-Jährige und lacht. Nachdem er sich gestärkt hat, belädt der Bregenzer sein Auto mit Zeitungsstapeln und macht sich auf in Richtung Lochau.
Plan durchgezogen
Walter Österle ist einer von über 1000 Zeitungsausträgern bei Russmedia. Inzwischen ist er seit Jahrzehnten im Geschäft. In seinem Gebiet ist er für 400 Haushalte zuständig. Er erinnert sich noch gut an seine Anfänge in der Branche. „Mein Papa hat gesagt, dass ich nicht länger als einen Monat durchhalten werde. Jetzt sind es schon über 45 Jahre“, erzählt Österle und schmunzelt. Er hatte zuerst daheim auf dem Bauernhof mitgeholfen, dann eine kaufmännische Lehre absolviert und danach als Verkäufer gearbeitet. „Da ich früher viele Fernreisen gemacht und über meine Verhältnisse gelebt habe, brauchte ich einen Nebenjob. Da kam mir das Zeitungsaustragen gerade recht“, erklärt er weiter. Seine ersten Zeitungen hat Österle in Dornbirn-Oberdorf und Haselstauden ausgetragen. Danach verschlug es den verlässlichen Boten der Liebe wegen nach Bregenz.
„Sogar meine Frau habe ich dank der VN kennengelernt“, erzählt Österle, lächelt und fügt hinzu: „Ich trage die Zeitung nicht nur aus, sondern lese sie auch selbst sehr gerne.“ Einmal in der Woche setzte er sich früher immer in ein Café, um sich die Neuigkeiten in Ruhe zu Gemüte zu führen. Eines Tages entdeckte er eine junge Frau an einem Nebentisch. Sie war eine Stunde zu früh zu ihrem Zahnarzttermin erschienen und nutzte die Wartezeit, um einen Kaffee zu trinken. „Ruth war mir gleich sympathisch und ich musste sie einfach ansprechen“, erzählt Österle. Es folgte die Hochzeit und das Paar zog drei Kinder groß.
Walter Österle hat seinen Nebenjob unterdessen behalten und im Lauf der Jahre vieles erlebt. „In der Nacht sieht man schon allerhand Gestalten“, erzählt er und lacht. Nähere Details möchte er aber nicht preisgeben. Noch gut erinnert er sich auch an den Juli vor sieben Jahren. Als er nach starkem Dauerregen die VN austragen sollte, hatten Feuerwehrleute auf seiner Route bereits begonnen, Straßen zu sperren. Muren und Hangrutschungen wurden befürchtet. „Ich bin früher aufgebrochen und habe es noch auf Umwegen geschafft, die Zeitungen rechtzeitig ans Ziel zu bringen“, erzählt er.
Dass alle ihre Zeitung rechtzeitig auf dem Frühstückstisch haben, ist für Österle das Wichtigste. Wenn er die letzte gegen 5.30 Uhr im Briefkasten verstaut hat, ruft er seine Frau Ruth an. „Sie besteht darauf, denn sie macht mir dann einen Kaffee“, erzählt er. Danach steht bis zirka 9 Uhr ein Schläfchen auf dem Programm. Dann geht er schwimmen, wandern oder im Winter auch einmal Ski fahren.
Die Aktivitäten halten den Bregenzer sichtlich fit. Und wenn um zwei Uhr nachts schließlich wieder der Wecker klingelt, Wasserglas und ungeschälte Karotten bereit stehen, freut er sich schon auf seine nächste Tour. VN-mef
„In der Nacht sieht man schon allerhand Gestalten auf den Straßen.“
Zur Person
Walter Österle
ist seit rund 45 Jahren als Zeitungsausträger im Einsatz.
Geboren 30. September 1949, aufgewachsen auf einem Bauernhof in Langen bei Bregenz
Wohnort Bregenz
Familie verheiratet, drei Kinder
Hobbys Wandern, Skifahren, Reisen