Der Menschenfischer

Wetter / 01.10.2017 • 18:49 Uhr
Vom Risiko lässt sich Herbert Angermann nicht einschüchtern. sea-eye
Vom Risiko lässt sich Herbert Angermann nicht einschüchtern. sea-eye

Herbert Angermann als Flüchtlingshelfer auf hoher See.

Lauterach Herbert Angermann badet geradezu in Euphorie. „Das ist der Höhepunkt meiner ärztlichen Laufbahn“, schwärmt er mit donnernder Stimme. Und: „Das Medizinstudium hat sich also doch gelohnt.“ Was den gebürtigen Hessen zu dieser Einschätzung bringt, ist eine neue, ganz besondere Aufgabe. Übermorgen, am Mittwoch, startet ein Schiff der deutschen Hilfsorganisation „Sea-Eye“ von Malta aus zur nächsten Rettungsfahrt vor die libysche Küste. Als Bordarzt mit dabei ist Herbert Angermann, der dafür seine Arbeit im Dialysezentrum in Bregenz für zwei Monate ruhen lässt. „Ich bin total glücklich und freue mich so sehr, dass ich dort helfen kann“, lässt er seinen aufgewühlten Gefühlen freien Lauf. Angermann weiß, dass die Mission nicht ungefährlich ist. Aber: „Jeder, der da mitmacht, tut es mit ganzem Herzen.“

Durch Zufall zum Einsatz

Auf die von einem Regensburger Unternehmer gegründete private gemeinnützige Organisation „Sea-Eye“ stieß der Facharzt für Allgemeinmedizin im Internet. „Es war reiner Zufall, dass ich die Webseite fand“, erzählt er. Er las und las, und letztlich ließ ihn die Geschichte nicht mehr los. Noch am gleichen Wochenende fuhr Herbert Angermann nach Regensburg, um sich vor Ort zu erkundigen. Sein Eindruck: „Das ist die ehrenvollste Einrichtung, die ich je gesehen habe.“

Er unterschrieb für einen ersten ehrenamtlichen Einsatz. „Sea-Eye“ ist auch der Name eines umgebauten Fischkutters, mit dem Freiwillige seit dem Frühjahr 2016 regelmäßig vor der Küste Libyens unterwegs sind, um Schiffbrüchige vor dem Ertrinken zu retten. Seitdem konnte laut eigenen Angaben über 6100 Menschen aus Seenot geholfen werden.

Im Mai dieses Jahres nahm die Organisation ein weiteres Schiff in Betrieb, die „Seefuchs“. Beide Schiffe waren einst Teil der damaligen DDR-Fischfangflotte. Ab 1993 verrichtete die „Seefuchs“ ihren Dienst als ehrenamtlich betriebener „Forschungs- und Reisekutter“. Jetzt ist sie wie die „Sea-Eye“ als Menschenfischer unterwegs. Bald wird auch Herbert Angermann ein solcher sein. Die oft geäußerte Kritik, private Hilfsorganisationen würden mehr schaden als nützen, lässt der Arzt nicht gelten. Er hält ihre Arbeit für wichtiger denn je, und er möchte ein Teil davon sein. Nicht, um sich zu profilieren, sondern weil sie seinen Beruf zu etwas, wie er sagt, wirklich Wertvollem macht.

Herbert Angermann, der einen österreichischen Vater hat, kam vor fünf Jahren nach Vorarlberg. Zuerst arbeitete er in der Reha-Klinik Montafon, dann war er Chefarzt in der Justizvollzugsanstalt Feldkirch. Schließlich bekam er das Angebot zur Mitarbeit im Dialysezentrum in Bregenz. Hier habe er sich sofort wohlgefühlt. Dorthin wird er am 1. Dezember auch wieder zurückkehren. Doch zuerst geht es hinaus aufs Meer, um denen Hilfe zu bringen, die sie besonders dringend brauchen. VN-MM

Zur Person

Herbert Angermann

hat sich bei „Sea-Eye“ für einen Rettungseinsatz im Mittelmeer verpflichtet.

Geboren 12. März 1949 in Hessen

Ausbildung Facharzt für Allgemeinmedizin, jetzt medizinischer Mitarbeiter im Dialysezentrum Bregenz

Wohnort Lauterach