Hebamme mit Empathie

Wetter / 31.10.2017 • 19:27 Uhr
Hebamme mit Empathie

Eine Geburtshelferin ist notgedrungen auch “Sterbeamme”.

Bregenz. Susanne Haunold-Sam ist gerne Hebamme. Sie liebt ihren Beruf. „Es ist eine schöne Arbeit. Denn ich darf mit den Eltern glückliche Momente erleben.“ Seit 40 Jahren übt sie diesen Beruf aus. Aber er ist ihr nicht zur Routine geworden. Denn: „Ich empfinde noch immer jede Geburt als Wunder.“ Auch heute noch überkommt die erfahrene Geburtshelferin, die seit elf Jahren im LKH Bregenz arbeitet, ein Staunen, „wenn das fertige Mensch­lein plötzlich da ist“.

Ein traumatisches Erlebnis

Als Hebamme erlebt sie freilich nicht nur freudige Momente. Auch Fehl- und Totgeburten gehören zu ihrem Arbeitsalltag. In den vergangenen acht Jahren kamen insgesamt 8900 Kinder im LKH Bregenz zur Welt. 31 davon starben entweder kurz vor der Geburt, während der Geburt oder kurz danach. „Die Geburt ist dann gleichzeitig der Abschied vom Kind. Das ist für die Eltern ein traumatisches Erlebnis“, weiß die Frau, die schon 3000 Kindern auf die Welt geholfen hat.

In solchen Situationen ist sie hilflos. „Ich kann den Eltern das Leid nicht abnehmen, doch ich kann sie gut begleiten.“ Haunold-Sam berät und unterstützt die Eltern der „Sternenkinder“ in der Trauerarbeit. „Wir geben ihnen das Kind in den Arm, lassen es bei ihnen im Zimmer, machen Fotos vom Baby und einen Fußabdruck wie bei einem lebenden Kind.“

Laut der Geburtshelferin ist es wichtig, dass Eltern bewusst von ihrem toten Kind Abschied nehmen können. Diesbezüglich habe man aus der Vergangenheit gelernt. „Früher glaubte man, dass es besser ist, wenn die Mutter das tote Kind nicht mehr zu Gesicht bekommt. Man brachte es gleich weg. Das hatte nicht selten seelische Spätfolgen für die Frau, weil das Bild, das sie sich von dem Kind machte, nicht der Realität entsprach.“

Als Haunold-Sam vor 40 Jahren die Ausbildung zur Hebamme machte, war die Geburtshilfe naturgemäß noch nicht so weit entwickelt wie heute. „Sie war unmenschlich“, findet sie dafür keine anderen Worte. Die Frauen seien bei der Geburt alleine gewesen – „niemand durfte zu ihnen“ – und hätten ihre Babys nur beim Stillen gesehen. „Als ich einer Frau in den Wehen die Hand hielt, wurde ich von den anderen Hebammen ausgelacht“, erinnert sich die 57-Jährige.

Diese wenig liebevolle Betreuung der werdenden Mütter befremdete die Hebammenschülerin aus Vorarlberg. „Ich fühlte mich unwohl und dachte mir: ,Ich möchte als Hebamme alles anders machen‘.“ Aber das größte Schockerlebnis stand ihr da noch bevor. Es war eine der ersten Geburten, die sie als Schülerin miterlebte. „Die Frau brachte ein schwer behindertes Kind zur Welt. Es war nicht lebensfähig und starb gleich nach der Geburt. Das tote Baby wurde in einem Nebenraum abgelegt, die Mutter ganz alleingelassen.“

Dass weder Mutter noch Kind begleitet wurden, empfand die angehende Geburtshelferin als so unmenschlich, dass sie ernsthaft überlegte, die Ausbildung abzubrechen. „Aber letztlich bekräftigte mich dieses Erlebnis erneut darin, es als Hebamme besser zu machen.“ Und sie löste dieses Versprechen für sich ein. „Mir ist eine persönliche und empathische Begleitung immer wichtig gewesen.“ Eine gute Hebamme zeichnet sich ihrer Meinung nach nicht nur durch hohes fachliches Wissen aus, sondern auch durch hohe Empathie. VN-kum

„Man lachte mich aus, als ich einer Frau in den Wehen die Hand hielt.“

Zur Person

Susanne Haunold-Sam
ist seit 40 Jahren Geburtshelferin. Mittlerweile half sie bereits 3000 Kindern auf die Welt.    

Geboren 13. Dezember 1959

Wohnort  Hörbranz

Familie verheiratet, drei Kinder

Hobbies Reisen, Natur, Radfahren, Schwimmen