Zur Selbsthilfe gegriffen

Keine Therapie, da wurde Jolanda Bechter Legasthenie-Trainerin.
Schwarzach Eltern und Kinder liegen ihr gleichermaßen am Herzen. „Bei Lernschwierigkeiten leiden beide Seiten“, sagt Jolanda Bechter. Sie weiß, was es heißt, ein Kind mit Legasthenie zu haben und keine Unterstützung zu finden. Inzwischen liegt diese Zeit weit zurück, doch Bechter haben die Erfahrungen geprägt. Dass es keine Hilfe für das Problem geben sollte, wollte der dreifachen Mutter nicht in den Kopf. Sie suchte, aber vergebens. Deshalb ergriff Jolanda Bechter die Initiative. Frei nach dem Motto, wenn es nichts gibt, muss man eben selbst etwas machen, ließ sich die mittlerweile 63-jährige Schwarzacherin zur Legasthenie- und Dyskalkulie-Trainerin ausbilden. Seit 2018 steht sie zudem der Initiative „LEGA Vorarlberg“ vor, einem Verein zur Förderung von Menschen mit Teilleistungsschwächen. Der feiert morgen, Freitag, in der Volksschule Mäder sein 20-Jahr-Jubiläum. Die Feier beginnt um 15 Uhr und ist öffentlich. Bechter hofft auf viele Besucher.
Hoher Beratungsbedarf
Den Anteil jener, die von Teilleistungsschwächen betroffen sind, will die engagierte LEGA-Obfrau nicht quantifizieren. Schätzungen gehen von etwa 17 Prozent aus, aber: „Wer misst das schon?“ Bei Kindern äußern sich Teilleistungsschwächen wie Wahrnehmungsstörungen, Lese- und Rechtschreib- sowie Rechenschwäche häufig in Lernschwierigkeiten. Früher wurden Erlässe ausgestellt, laut denen diese Kinder anders zu benoten sind. „Diese Erlässe gibt es kaum noch“, erzählt Jolanda Bechter. Stattdessen soll es die Schule regeln. „Viele Eltern haben jedoch das Gefühl, dass ihr Kind nicht entsprechend gefördert wird“, berichtet Bechter diesbezüglich von einem enormen Bedarf an Beratung. Bei der Sprechstunde am vergangenen Montag beispielsweise war das LEGA-Büro in Dornbirn einmal mehr rappelvoll. Stundenlang haben Eltern auf ein Gespräch gewartet. Sie versteht die Sorgen der Mütter und Väter nur allzu gut, schließlich geht es um die schulische Zukunft ihres Nachwuchses.
An den Volksschulen funktioniert die lernspezifische Förderung von Kindern mit Legasthenie und Dyskalkulie laut Jolanda Bechter überwiegend gut. An den Mittelschulen werde es schon schwieriger. Da passiere fast gar nichts mehr. Es fehle an Trainern und in dieser Materie geschulten Lehrern, spricht sie Klartext und merkt resolut an: „Da gäbe es viel zu tun.“ Der Verein wüsste auch, was. Er würde sich an jeder Schule einen ausgebildeten Trainer oder eine Trainerin wünschen. „Mit Nachhilfe sind Teilleistungsschwächen nicht zu bewältigen“, begründet Jolanda Bechter. Sie habe diesen Vorschlag auch schon Schullandesrätin Barbara Schöbi-Fink unterbreitet. „Sie hat es gehört“, blieb ein ernüchternder Eindruck von diesem Gespräch zurück.
Visionen und Wünsche
Visionen wälzt die engagierte Obfrau trotzdem. Sie möchte LEGA und sein niederschwelliges Angebot noch stärker mit anderen Organisationen wie dem Landeselternverein vernetzen und damit bekannter machen. Ebenso will sie die Qualität der Trainerinnen und Trainer steigern. Deshalb sollen vom Verein regelmäßig angebotene Fortbildungen verpflichtend werden. „Wir legen für unsere Trainer die Hand ins Feuer.“ Außerdem gibt es die Forderung nach einem Berufsbild für Legasthenie-Trainer und die Anerkennung von Teilleistungsschwächen als psychische Krankheiten. „Die Kassen sollen das Training bezahlen“, verweist Jolanda Bechter auf Deutschland, wo dies bereits der Fall ist. Ihr Credo: „Jedes Kind hat das Recht, das zu lernen, was es lernen möchte.“ Ihr Auftrag: „Eltern dabei zu unterstützen und zu tragen.“ VN-MM
Zur Person
Jolanda Bechter
führt seit dem vergangenen Jahr den 1999 von Andreas Mikula gegründeten Verein “LEGA”.
Geboren 30. September 1955
Ausbildung Legasthenie- und Dyskalkulie-Trainerin, Motorik-Therapeutin, Sinneswahrnehmungs-Trainerin
Wohnort Schwarzach
Familie verheiratet, 3 Söhne, 1 Enkel