Ein Stück schwedischer Geschichte geht mit Fall Palme zu Ende

Enttäuschung wegen fehlender Beweise gegen mutmaßlichen Täter – Ermittlungen kosteten bis zu 100 Millionen Euro.
Stockholm Wohl die meisten Schweden dürften den Mittwochvormittag vor den Bildschirmen verbracht haben. Nichts Geringeres als die endgültige Auflösung des wohl größten und rätselhaftesten Falls der schwedischen Kriminalgeschichte – der Mord an Olof Palme – war angekündigt. Ein Tatverdächtiger der ersten Stunde, der verstorbene Werbegrafiker Stig Engström, vulgo “der Skandia-Mann”, soll es also gewesen sein.

Die Reaktionen in Schweden auf die Entscheidung von Staatsanwalt Krister Petersson waren nicht gerade enthusiastisch. Der bekannte Kriminologe Leif GW Persson sprach im TV von einer “riesigen Enttäuschung”. “Ich hatte gedacht, dass sie etwas wirklich Handfestes gefunden hätten, aber so war es nicht.” Petersson habe lediglich seine Interpretation der Ermittlungen mitgeteilt.
Die drei Söhne Olof Palmes beschrieben die Argumentation des Staatsanwalts in einer gemeinsamen Stellungnahme zwar als “überzeugend”; allerdings zeigten auch sie sich enttäuscht, dass keine technischen Beweise für Engströms Schuld gefunden werden konnten.
Ein Grund für die enttäuschten Reaktionen dürfte sein, dass Engström – oder der “Skandia-Mann”, wie er bisher offiziell bezeichnet wurde – in den Medien schon seit einigen Jahren als Palmes vermutlicher Mörder gehandelt wurde. In den vergangenen Tagen hatte sich in Bezug auf die Pressekonferenz eine gewaltige Spannungshaltung aufgebaut. Die Boulevardzeitung “Aftonbladet” wollte sogar wissen, dass die Ermittler die Mordwaffe identifiziert hätten. Eine Meldung, die sich am Mittwoch als falsch herausstellte.

Vermutlich wird die Mythenbildung rund um den Tod des langjährigen Ministerpräsidenten Olof Palme am 28. Februar 1986 auch jetzt nicht aufhören. Zu viele Emotionen ranken sich auch heute noch um die Gestalt eines der seinerzeit führenden und einflussreichsten Sozialdemokraten Europas.
Mit Bruno Kreisky und Willy Brandt verband ihn eine tiefe Freundschaft. Gemeinsam wollten sie eine neue, gerechtere Welt schaffen. Vor allem bei Europas Linken gelten die drei Männer heute noch als Hoffnungsträger der jüngeren Geschichte. Schwedens Linksparteichef Jonas Sjöstedt sagte am Mittwoch: “An dem Tag, als Olof Palme ermordet wurde, starb ein bisschen von der Hoffnung auf eine bessere Welt.”
Auf der anderen Seite war Olof Palme für stark konservative und rechtsgerichtete Kreise in Schweden ein ausgesprochenes Feindbild. Im Verlauf der Ermittlungen ging die Polizei mehrfach von einem rechtsgerichteten Motiv aus, unter anderem vermutete man sogar eine mögliche Verschwörung in den eigenen Reihen. Auch der nun posthum als mutmaßlicher Täter bezeichnete Engström verkehrte in Palme-feindlichen Kreisen.
Auch wenn es keine endgültige Klarheit gibt: Mit der Entscheidung des Chefermittlers, die Akte Palme nach 34 Jahren mangels eines lebenden Tatverdächtigen zu schließen, geht ein Stück schwedischer Geschichte zu Ende. Immer wieder wurde der Fall mit dem tödlichen Attentat auf US-Präsident John F. Kennedy verglichen. Nach groben Schätzungen kosteten die Ermittlungen über die Jahrzehnte bis zu 100 Millionen Euro. Unzählige Spuren wurden verfolgt, zahlreiche Verschwörungstheorien gesponnen. Gezählte 134 Personen gestanden den Mord (Engström war nicht darunter). 1989 gab es kurzfristig sogar einen verurteilten, später freigesprochenen Mörder.