Tiere kennen kein Corona

Trotz Unfall und Lockdown ist Erin Bereuter für „ihre“ Tiere da.
DOREN „Man hat nicht ein Herz für Menschen und eines für Tiere. Man hat ein einziges Herz oder gar keins.“ Dieses Zitat des französischen Literaten und Politikers der Epoche Napoleons, Alphonse de Lamartine, passt zu Erin Bereuter. Die 19-Jährige macht sich für Tier- und Menschenrechte stark. Sie engagiert sich etwa bei den Bewegungen Fridays for Future und Black Lives Matter. Die Tierrechte vertritt sie zurzeit als Praktikantin auf Gut Bozenau, ein Gnadenhof in Doren, in dem der Verein Tierhilfe Vorarlberg etwa 100 Nutztieren einen Alterswohnsitz bereitstellt.
Eigentlich sollte Erin die Boxen ausmisten. Sie nimmt sich jedoch Zeit für ein Gespräch, lässt sich auf der Bank vor dem Ziegenstall nieder. „Ich habe zwölf Jahre lang Theorie gebüffelt. Dann wollte ich praktische Erfahrung sammeln, am liebsten mit Tieren“, erzählt die junge Frau. Die zwölf Jahre schlüsseln sich auf in vier Jahre Volksschule und vier Jahre Gymnasium in Bregenz, zweieinhalb Jahre Highschool im kalifornischen Silicon Valley (USA), dann wieder eineinhalb Jahre Gymnasium in Bregenz. Die Matura schaffte Erin im Juni 2019. Das Praktikum im Gut Bozenau begann sie im August, nachdem sie von einem Verwandten erfahren hatte, dass der Obmann der Tierhilfe Vorarlberg, Rudi Längle, und Stellvertreterin Martina Kleinschuster dringend Helfer suchten. „Der erste Arbeitstag hat mich fast überfordert“, erinnert sich Erin. „Ich klettere und fahre Rad, bin also sportlich. Aber ausmisten, Boxen säubern, schwere Eimer mit Wasser und Futter schleppen ist ziemlich anstrengend. Abends bin ich todmüde und mit schmerzenden Muskeln ins Bett gefallen.“ Doch bald verrichtete Erin die Hofarbeit „mehr oder weniger schmerzlos und mit viel Freude“. Bis zu jenem Tag im November, als der Unfall passierte. Beim Verstauen von Heuballen stürzte Erin Kopf voraus vom Heustock auf den Boden. Das bewusstlose Mädchen wurde mit dem Rettungshubschrauber ins Krankenhaus Feldkirch transportiert. Dort wurden neben anderen schweren Verletzungen Brüche des Gesichtsschädels festgestellt.
Nach einer Nacht auf der Intensivstation besserte sich ihr Zustand, und sie wurde in die Chirurgische Abteilung verlegt. Drei Tage später war sie schon wieder daheim. „Ich hatte unendlich viel Glück“, ist sich Erin bewusst. „Das hätte schlimmer ausgehen können.“ In den folgenden Wochen erholte sie sich erstaunlich rasch. Im Februar arbeitete sie bereits wieder im Gut Bozenau.
Die Corona-Krise samt Lockdown hatte indes keine Auswirkung auf Erins Job. Sie hat einfach weitergearbeitet, denn „die Tiere kennen kein Corona“.
Hilfe für die Tiere
Der 30. September 2020 ist Erins letzter Arbeitstag. Konkrete Zukunftspläne schmiedet sie noch keine. Vielleicht wird sie studieren. Vielleicht wird sie mit ihrem ehemaligem Kunstlehrer Daniel Rendón ein Projekt starten: „Ich würde gern im künstlerischen Bereich wirken, eventuell mit Fotografie.“ Vielleicht macht sie etwas ganz anderes. Sicher ist, dass sie mit Gut Bozenau verbunden bleibt. Um auch junge Menschen zu animieren, den Tieren zu helfen, hat Erin den Instagram-Account tierhilfe_vorarlberg erstellt. „Über diesen Account führt ein Link zur Kampagne ‚Helft unserem Hof‘ auf der Plattform GoFundMe“, erklärt sie. „Das ist eine einfache Art zu spenden.“
Geld benötigt der Verein nötiger denn je, „denn Corona hat uns einen massiven Spendeneinbruch beschert“. Die Versorgung der Tiere im Gut Bozenau kostet monatlich rund 10.000 Euro.
„Jetzt muss ich ausmisten, sonst werde ich heute nicht mehr fertig“, sagt Erin. Zu Hause in Wolfurt, wo sie nun wohnt, warten die Katzen Jamie und Junipere auf sie. Und ihre Trompete, die sie als Mitglied der Jugendkapelle Lauterach mit Begeisterung spielt. HRJ
Zur Person
Erin Bereuter
Geboren 28. Juni 2001
Wohnort Wolfurt
Laufbahn Matura, USA-Aufenthalt, Praktikantin
Hobbys Zeichnen und Malen, Fotografieren, Musik