Voll auf Zug bleiben

Nisrine Almohammad will Lokführerin werden.
Mäder Wenn sich Nisrine Almohammad ein Ziel setzt, dann setzt sie dies mit viel Ehrgeiz und Durchhaltevermögen auch um. Das, was sie erreichen will, definiert sie ganz klar. Ihr Berufswunsch besteht darin, Lokführerin zu werden. Auf diesen Berufswunsch kam sie im Rahmen eines Deutsch-Sprachkurses: „Ein Lehrer im Kurs hat uns erzählt, dass es in Vorarlberg nur eine Lokführerin gibt. Ich habe mir gleich gedacht: Wieso soll ich nicht die Zweite sein?“ Nachdem die ambitionierte 20-Jährige trotz einer sehr bewegten Lebensgeschichte schon sehr viel erreicht hat, ist die Umsetzung ihres Zieles sicher.
Flucht vor acht Jahren
Nisrine Almohammad stammt aus Al-Kamischle, einer Stadt in Syrien. Nachdem sich durch den Krieg die Lebensumstände dort drastisch verschlechtert hatten, entschlossen sich ihre Eltern mit den fünf Kindern zur Flucht in den Libanon. Der Weg über das Gebirge zur Grenzüberquerung ist der jungen Frau noch lebhaft in Erinnerung. Das war vor acht Jahren. Die nächsten Jahre verbrachte die Familie im Libanon. Vor drei Jahren übersiedelten sie nach Vorarlberg: „Mein Vater war zuerst da. Am 9. September 2016 sind wir schließlich auch nachgekommen. In Vorarlberg ist es perfekt! Ich kann das machen, was ich mir immer gewünscht habe. Da wir Kurden sind, hatten wir in Syrien keine Staatsbürgerschaft. Das bedeutete, dass ich zwar die Matura machen konnte, aber nicht studieren durfte. Nun stehen mir so viele Wege offen!“ Gleich nach der Ankunft absolvierte sie die nötigen Sprachkurse bis zum B2-Level an der Volkshochschule Götzis. Mit den erforderlichen Sprachkenntnissen meldete sie sich sogleich für einen Lehrgang zum Nachholen des Pflichtschulabschlusses an: „Ich ging in Syrien nur bis zur achten Klasse in die Schule. Es war mir wichtig, einen Abschluss in Österreich vorweisen zu können, damit ich einen Ausbildungsplatz finde.“
Im Rahmen eines halbjährigen AMS-Kurses „Frauen in Handwerk und Technik“ in Dornbirn vertiefte sich ihr Wunsch, einen technischen Beruf zu ergreifen: „Eine Freundin hat mir erzählt, dass man auch den Beruf als Lokführerin schnuppern kann. Ich habe dann einfach Gerhard Tschann, den Leiter der ÖBB-Lehrwerkstätte, angerufen und mit ihm einen Termin vereinbart. Er hat mir geraten, als Maschinenschlosserin und Elektrotechnikerin zu schnuppern. Elektrotechnik liegt mir besser.“ Inzwischen ist sie im zweiten Lehrjahr: „Die Lehrwerkstätte ist vor einer Woche nach Bludenz übersiedelt. Alles ist sehr modern, lichtdurchflutet und sehr funktionell. Ich habe eine sehr nette Ausbildnerin. Alle sind sehr freundlich zu mir. Sie akzeptieren mich, wie ich bin.“ Ihr Kopftuch trägt sie selbstbewusst, es sei ein Teil ihrer Identität: „Meine Eltern sind religiös, sie machen uns allen aber überhaupt keinen Druck, ein Kopftuch zu tragen. Es ist meine eigene Entscheidung.“
Ausgezeichneter Erfolg
Um Lokführerin zu werden, benötigt sie den Abschluss als Elektrotechnikerin, dieser dauert dreieinhalb Jahre, dann folgen sechs Monate Theorie und ein Praxisteil von eineinhalb Jahren. Nisrine Almohammad sieht das positiv, immerhin konnte sie im ersten Lehrjahr einen ausgezeichneten Erfolg vorweisen. Nicht nur sie, sondern auch ihre Geschwister bewähren sich: Ein Bruder ist in der Lehre als Verpackungstechniker – ebenfalls mit ausgezeichnetem Erfolg, eine Schwester besucht die HTL in Dornbirn für Chemie, eine weitere Schwester will Juristin werden. Die Mutter ist Hausfrau, der Vater Maurer und Fliesenleger. Beide können nicht lesen und schreiben – aber dennoch: „Sie haben uns immer bei unseren Ausbildungswünschen unterstützt. Ich bin ihnen sehr dankbar.“ BI
Zur Person
Nisrine Almohammad
Geboren 7. Februar 2000
Wohnort Mäder
Sprachen Kurdisch, Arabisch, Englisch, Deutsch, Dialekt
Hobbys Gartenarbeiten, Lernen, Fahrrad- und Zugfahren, nun auch Autofahren (sie hat seit letzter Woche den Führerschein)