Der Stehaufmann

Christian Singer – vom Gärtner zum Persönlichkeitsberater.
Lustenau Das Leben fasst einen nicht immer mit Samthandschuhen an. Das musste Christian Singer (45) schon früh erfahren. Der gebürtige Schweizer erlebte als Kind zwei Scheidungen mit. „Ich bin in verschiedenen Familienkonstellationen aufgewachsen, mit zwei jüngeren Halbschwestern, für die ich früh die Verantwortung übernahm.“ Manchmal wuchs dem Buben alles über den Kopf. Dann war ihm nach Aufgeben zumute. Doch er tat es nicht, „weil ich sehen wollte, was passiert, wenn ich nicht aufgebe“. Das machte ihn stark, „weil Krisen einem die Chance geben, stärker zu werden.“ Sein Lebensweg war auch später nicht einfach. Aber er schaffte es immer, den Widerwärtigkeiten des Lebens wirksam zu trotzen.
Eigentlich hätte Singer in seiner Jugend gerne Psychologie studiert. „Das war mein Herzenswunsch. Ich wollte mit Menschen arbeiten.“ Doch zuhause riet man ihm zu einem Handwerksberuf. Wegen seiner großen Naturverbundenheit entschied er sich für eine Ausbildung zum Gärtner. „Als Kind hatte ich positive Erlebnisse mit der Natur. Hinter unserem Haus befand sich ein großes Schilffeld. Das war mein Wohlfühl- und Fluchtort.“ Richtig glücklich wurde er als Gärtner nicht. „Da war noch etwas in mir drinnen.“ In seinem Herzen schlummerte das Bedürfnis, anderen Menschen zu helfen.
Doch zunächst hieß es, eine fünfköpfige Familie zu ernähren. Als Gärtner wagte er den Schritt in die Selbstständigkeit. „Ich habe private Gärten gepflegt und kleine Änderungen vorgenommen.“ Diese Arbeit machte den dreifachen Vater nicht reich, im Gegenteil, finanziell war es ein ständiger Überlebenskampf. „Meistens reichte das Geld gerade über den Winter.“ Die Geldsorgen und die körperlich strenge Arbeit zehrten an seiner Gesundheit. Der Preis für seine 15-jährige Selbstständigkeit war ziemlich hoch: Burnout, Tinnitus, abgenützte Hände.
Er fühlte sich nicht als Versager, als er seinen Beruf an den Nagel hängte. Denn: „Ich habe unsagbar viel praktische Lebenserfahrung gesammelt.“ Scheitern und Niederlagen sind für ihn nicht negativ besetzt, weil er aus eigener Erfahrung weiß, dass man sie in Siege verwandeln kann: „Das Leben gibt uns Lerngeschenke. Wenn ich sie annehme, dann habe ich die Möglichkeit zu wachsen.“ Solche Geschenke habe er vom Leben schon viele bekommen. „Ich bin öfters hingefallen. Das ist keine Schande. Das Liegenbleiben ist eine Entscheidung. Aber ich bin immer wieder aufgestanden. Das Aufstehen ist eine Einstellung von mir. Mit dem Aufstehen entdeckt man die Schönheit des Lebens.“
Singer erfand sich neu, absolvierte eine Ausbildung in Logotherapie und Existenzanalyse. Heute ist er wieder selbstständig. Als Resilienzcoach und psychologischer Berater hilft er Menschen dabei, resilienter zu werden, die eigenen Stärken zu entdecken und persönlichen Sinn zu finden. Resilienz definiert der 45-Jährige so: „Unverwüstlich sein, und trotzdem ganz Mensch sein. Man darf auch schwach sein und eine Weile liegenbleiben. Es geht darum, wieder aufzustehen.“
Bei seiner Arbeit greift der Lebensberater auf seine Erfahrung als Gärtner zurück. „Ich versuche Resilienz anhand von Beispielen aus der Natur zu erklären. Die Blumenzwiebel zum Beispiel übersteht den eisigen Winter unter der Erde. Im Frühling treibt sie wieder aus. Auch wir haben im Leben die Möglichkeit, nach einer Krise wieder aufzublühen.“
Als Coach fühlt sich Singer beruflich endlich angekommen. „Es freut mich riesig, dass ich Menschen helfen kann.“ Seit er seine Berufung leben kann, ist das Leben für ihn noch lebenswerter. „Das Leben ist schön, von einfach war aber nie die Rede“, klammert er die Tiefen nicht aus. VN-kum
Zur Person
Christian Singer
war Gärtner und arbeitet jetzt als Resilienzcoach und psychologischer Berater. Mehr Infos unter www.christian-singer.coach
Geboren 6. November 1975
Ausbildung Gärtner, psychologischer Berater
Familie verheiratet, drei Kinder
Hobbys Natur, Radfahren, Drechseln