Zugang zu Menschen in der Zwischenwelt

Einem britischen Forscher ist es gelungen, sich mit Wachkomapatienten zu „unterhalten“.
schwarzach. Seit dem schweren Autounfall vor zwölf Jahren ist der 39-jährige Brite Scott Routly im Wachkoma gefangen. Der Mann kann sich nicht bewegen, reagiert auf keine Reize. Im Rahmen einer in der Fachzeitschrift „Sience“ veröffentlichten Studie hat der Neurologe und Komaforscher Adrian Owen (46) Routly und andere Wachkomapatienten mittels funktionellen Magnetresonanz-Tomografen (fMRT) untersucht. Owen, der an der Cambridge University forscht, sucht bei seinen Probanden, die zwischen Leben und Tod gefangen sind, nach Spuren von Bewusstsein. Um deren Hirnaktivität zu testen, stellte Owen ihnen Aufgaben. Routly, beispielsweise, wurde aufgefordert, sich vorzustellen, Tennis zu spielen und durch sein Elternhaus zu gehen. Routlys Antwort folgte unmittelbar darauf, in dem die Areale des motorischen Zentrums in seinem Gehirn aufleuchteten.
Mit dem Ergebnis seiner Studie hat Adria Owen nachgewiesen, dass Wachkomapatienten auf bestimmte Bilder gleich reagieren wie gesunde Menschen und somit Kommunikation – zumindest mittels bildgebendem Verfahren – möglich ist. Denn noch immer sind viele Mediziner davon überzeugt, Kommunikationsaufnahme sei mit Menschen im Koma nicht möglich.
Dass diese Annahme falsch ist, erfährt man auf der Wachkomastation des Landeskrankenhauses Rankweil, wo zurzeit insgesamt 14 Patienten betreut werden, zehn davon sind klassische Wachkomapatienten. Der älteste ist 85-jährig, der jüngste 24. Er war 18, als er nach einem Verkehrsunfall in ein Wachkoma fiel.
Was den Bewusstseinszustand von Wachkomapatienten betrifft, gibt es laut Chefarzt Dr. Albert Lingg viele Missverständnisse: „In deren Gehirn ist es weder zappenduster noch hell. Da ist ein vielfältiger Graubereich. In jedem Fall gehen wir davon aus, dass die Wachkomapatienten alles mitbekommen, was um sie herum geschieht.“ Darum werde mit ihnen wie mit Gesunden kommuniziert. „Wir reden nie über sie, sondern mit ihnen.“
Kontakt durch Berühren
„Wenn wir unseren Patienten begegnen, stellen wir durch Berühren der Schulter Kontakt her und reden mit ihnen, auch wenn wir keine Antwort bekommen. Der Patient weiß dann, er ist gemeint, jetzt befassen wir uns mit ihm“, erklärt Johannes Frick. Der diplomierte Psychiatrische Krankenpfleger arbeitet auf der Wachkomastation seit ihrer Eröffnung im April 2004. Geachtet werde beim Kommunizieren mit den Wachkomapatienten insbesondere auf den klassischen Pulsschlag, die Atmung, den Tonus sowie die Mimik. „Ein Beispiel: Ist der Pulsschlag über 100, dann beschäftigt den Patienten etwas. Ob das positiv oder negativ ist, ob er Schmerzen hat oder mit der momentanen Situation nicht zufrieden ist, das müssen wir herausfinden“, sagt Frick. „Die einen machen es über das MRT, wir über die Pulsfrequenz.“
Für Dr. Albert Lingg besteht kein Zweifel, dass im Gehirn eines Wachkomapatienten Bewusstseinsreste vorhanden sind. „Aber wie viele und zu welchem Zeitpunkt weiß man nie.“ Adrian Owens Methoden könne man aber in diesem Spital nicht anwenden: „Das LKH Rankweil ist weder Forschungszentrum noch Universitätsklinik, wo die Patienten in jedem Quartal mit aufwendigen MRT oder PET untersucht werden können.“ Mit Bild gebenden Verfahren kontrolliert werde dann, wenn Indikationen bestünden.
Stichwort
Wachkoma
Das Wachkoma, auch „Apallisches Syndrom“ genannt. Bei Menschen im Wachkoma liegt eine komplexe Schädigung des Gehirns vor, bedingt durch Schädel-Hirn-Verletzungen nach Unfällen, Sauerstoffmangel des Gehirns (z. B. nach zu spät erfolgter Reanimation), Stoffwechselentgleisungen. Die Großhirnfunktion fällt aus, während Funktionen von Zwischenhirn, Hirnstamm und Rückenmark erhalten bleiben. Die Prognose, ob ein Mensch jemals wieder aus dem Wachkoma erwacht, ist schwierig und hängt vor allem vom Schädigungsgrad des Gehirns ab.