Ein Desaster ohne Ende

Wissen / 07.03.2014 • 15:15 Uhr

Der Nuklearunfall im Atomkraftwerk in Fukushima hat katastrophale Folgen.

fukushima. Am Montag ist der Nuklearunfall im Atomkraftwerk von Fukushima drei Jahre her. Doch noch immer fließen wegen der Risse in der Reaktorhülle riesige Mengen stark kontaminierten Kühlwassers ins Grundwasser – ununterbrochen. Allein im Reaktor 1 sind es täglich etwa 80 Tonnen.
Noch immer ist keine Lösung in Sicht.

Rückblick: Am 11. März 2011 um 4.46 Uhr Ortszeit erschüttert ein Erdbeben der Stärke 9 die japanische Region Tohoku. Ein Tsunami ist die Folge. Die ersten Flutwellen erreichen das Kraftwerksgelände in Fukushima und lösen eine atomare Katastrophe aus.

Um 16.36 Uhr meldet die Betreiberfirma des Atomkraftwerks – die Elektrizitätswerke von Tokio „Tepco“ – einen „nuklearen Notfall“ an die Aufsichtsbehörde. Knapp zweieinhalb Stunden später, um 19.30 Uhr, ruft die japanische Regierung den „nuklearen Notfall“ aus.

Hunderttausende evakuiert

Kurz nach 21 Uhr beginnt für 1864 nahe dem Reaktorblock 1 lebende Bewohner die Evakuierung. In den folgenden vier Tagen werden vier der sechs Reaktorblöcke des Kernkraftwerks Fukushima I zerstört. Druckentlastungen, Detonationen und Brände setzen erhebliche Mengen an radioaktiven Gasen und Partikeln frei. Die Kühlsysteme der Anlage versagen. Die Kernschmelze beginnt. Die Evakuierung wird auf 140.000 Einwohner der Präfektur Fukushima im Umkreis von 20 Kilometern erweitert. Seither flutet Tepco die Anlage mit Wasser, um die überhitzten Reaktoren zu kühlen.

Doch die Bemühungen von Betreibern und Regierung, die Situation in Fukushima in den Griff zu bekommen, sind bislang gescheitert. Auch wenn beide immer wieder das Gegenteil behauptet haben. Tatsächlich werden immer mehr Zwischenfälle im havarierten Atomkraftwerk bekannt, und die Pannen in der Atomruine reißen nicht ab.

Im November letzten Jahres haben die Betreiber damit begonnen, 1533 Brennstäbe aus dem Abklingbecken des beschädigten Reaktorgebäudes 4 zu bergen. Anfang Februar traten aus einem Speichertank auf der Atomanlage mindestens 100 Tonnen radioaktiv verseuchtes Wasser aus.

Hilflos und inkompetent

Am 24. Februar mussten wegen eines Ausfalls des Kühlsystems für das Abklingbecken Nummer 4 die Arbeiten zur Auslagerung von Brennstäben vorübergehend ausgesetzt werden. Grund war die Beschädigung eines Kabels, woraufhin Alarm ausgelöst wurde.

„Während die Betreibergesellschaft Tepco total hilflos und inkompetent versucht, die katastrophale Lage möglichst zu vertuschen und sie gleichzeitig irgendwie in den Griff zu bekommen, sickert die Wahrheit durch“, kommentiert die Umweltaktivistin und Toni-Russ-Preis-Trägerin Hildegard Breiner die heutige Situation in Fukushima. „Statt der erwarteten sechs bis sieben Jahre, bis die radioaktiv verseuchten Meeresströmungen Kanada und die USA erreichen, haben die strahlenden Isotopen bereits jetzt den Pazifik überwunden“, informiert sie. Noch seien dort die Grenzwerte nicht überschritten, „aber die Lecks in Fukushima sind immer noch nicht gestopft“.

Durch eine neue, zuverlässigere Messmethode musste Tepco nun zugeben, dass die Wasserproben rund zehnmal höher verstrahlt sind als bisher bekannt gegeben. Für Breiner ist es „eine Horrorvorstellung, dass sich diese Niedrigstrahlung weltweit ausbreitet – zum Beispiel über die Nahrungskette“. Betroffen macht sie zudem, dass im Umkreis von Fukushima, aber auch im 200 Kilometer südlich gelegenen Tokio Ärzte an ihrer Ohnmacht verzweifeln. „In den Kliniken werden sie massiv unter Druck gesetzt, die diagnostizierten, besonders bei Kindern und Jugendlichen signifikant zunehmenden Krebserkrankungen – vorwiegend Schilddrüsenkrebs – zu verharmlosen und die Patienten ohne Behandlung wieder wegzuschicken.“ Offiziell liegen die Strahlenwerte nämlich „knapp unterhalb des Grenzwerts“.

Dass sich diese Niedrigstrahlung weltweit ausbreitet, ist für mich eine Horrorvor­stellung.

Hildegard Breiner