„Bio-Ökonomie“ kommt

Wissen / 06.06.2014 • 15:24 Uhr
Die deutsche Diplombiologin Anke Domaske entwickelte Kleider, Granulate und Fasern aus Milchprotein.  FOTO: Qmilk
Die deutsche Diplombiologin Anke Domaske entwickelte Kleider, Granulate und Fasern aus Milchprotein. FOTO: Qmilk

Bausteine aus der Natur weisen den Weg in ein zukunftsfähiges Wirtschaftssystem.

schwarzach. Reifen aus Löwenzahn-Latex, Kleider aus Milchprotein oder Cremes mit biotechnologisch hergestellten Enzymen: Davon schwärmt die Wissenschaft. Vor allem in Deutschland und neuerdings auch in Österreich werden für diese „Bio-Ökonomie“ Millionen an Fördergeldern freigemacht.

Rohstoff trifft Hightech

Das Ökosoziale Forum trommelte in Wien kürzlich Wissenschaftler zusammen, um Umsetzungen der neuen Strategie zu diskutieren. Sie orientiere sich an natürlichen Stoffkreisläufen und umfasse alle Wirtschaftszweige, die nachwachsende Ressourcen oder biogene Rest- und Abfallstoffe nutzen. Deshalb finde sie besonders in der Fischerei und Aquakultur, Chemie und Pharmazie, der Nahrungsmittel-, Papier- und Textilindustrie Anwendung. Integraler Bestandteil sei der Einsatz von Verfahren, die nicht nur erdölbasierte Güter ersetzen, sondern auch die Entwicklung neuer, innovativer Produkte vorantreiben und kräftige Impulse für den Strukturwandel geben. Vorzeigebeispiel ist Anke Domaske, Gründerin der „Qmilk“ in Hannover, die auf der Suche nach chemisch unbehandelter Kleidung war. Dabei stieß sie auf Milchproteine.

Bisher ungenutzte Koppel- und Abfallprodukte sollen in neuen Materialien Verwendung finden, die teilweise bessere Eigenschaften aufweisen als die altbewährten. So wird zum Beispiel in der Alpenrepublik konkret an Leichtbauwerkstoffen aus Silomais-Rückständen und an der Aufarbeitung von Filterrückständen bei der Bierherstellung zur Gewinnung innovativer pharmazeutischer Substanzen gearbeitet.

Die „Bio-Ökonomie“ biete aufgrund ihres Querschnitts-charakters die Chance, miteinander verknüpfte gesellschaftliche Herausforderungen wie Ernährungssicherheit, Abhängigkeit von Fossilenergie und Klimawandel anzugehen. Die heimische Wirtschaft generiere neue Wertschöpfungsketten und schaffe im Inland neue Arbeitskräfte. Allein Deutschland fördert seit 2010
und vorläufig bis 2016 entsprechende Forschungsprojekte.

An der nationalen Strategie arbeiten vier Ministerien zusammen. Die EU präsentierte ebenfalls ihr Papier zur „Bio-Ökonomie Europa“. Ob die USA, Brasilien, China, Dänemark und Großbritannien: Sie alle haben das Ziel, die Ressourceneffizienz rigoros zu steigern. Österreich könne sich sehr gut positionieren, weil es bereits interessante Forschungsansätze gibt, die koordiniert und weiterentwickelt werden müssten. „Wir haben ein stabiles Fundament, auf dem wir aufbauen können“, sind sich der Präsident des Ökosozialen Forums, Stephan Pernkopf, und die Chefs von BIOS Science sowie der Rektor der Universität für Bodenkultur, Martin Gerzabek, einig.

Alles Leben zu Geld machen

Das harmlos bis nett klingende Label „Bio-Ökonomie“ wird sich der immer lauter werdenden Kritik stellen müssen: Dahinter stecken Firmen wie BASF, Bayer und Merck. Sie versprechen sich lukrative Gewinne. Die umstrittene Gentechnik, die Auseinandersetzung mit zentralen Themen wie Umweltzerstörung und die Erhaltung von sozialen Standards und Gemeinwohl-Prinzipien werden ausgeblendet.

Vorerst gab es in Österreich jedenfalls einen Schlag ins Wasser: Der Forscher Ulrich Müller vom Kompetenzzentrum Holz hat einen Werkstoff aus Maisspindeln, die in der Landwirtschaft anfallen, zu einer Kernschicht für Leichtbauplatten mit guten Festigkeits- und Dämmwerten entwickelt. Fazit: „Die Erfahrung hat mir bestätigt, dass eine gute technische Idee noch lange keine marktfähige Umsetzung bedeutet.“