Designforschung mit Respekt und Würde

Wissen / 03.04.2015 • 15:32 Uhr
 Oma „ärgert sich nicht mehr“: Die Kegel auf dem Brettspiel sind unterschiedlich groß.  FOTO: FHV  
 Oma „ärgert sich nicht mehr“: Die Kegel auf dem Brettspiel sind unterschiedlich groß. FOTO: FHV  

Wer Funktionswünsche von Generationen berücksichtigt, hat Wettbewerbsvorteile.

schwarzach. Die Konsumenten werden deutlich älter und verbrauchen mehr als jene unter 50. Diese Veränderungen legen es nahe, sie stärker in der Produktentwicklung zu berücksichtigen. Welche konkreten Design- und Funktionswünsche hat die Generation Plus? Wie kann ein Unternehmen die Zielgruppe in den Entwicklungsprozess einbinden? Diesen Fragen ist Reinhard A. Pfefferkorn unter der Betreuung von Carsten Bartsch, Professor an der FH Vorarlberg, nachgegangen. Seine empirische Untersuchung gibt Produkt­enwicklern einen Einblick in die Sichtweise älterer Konsumenten. Pfefferkorn: „Das betrifft auch junge Menschen.“

Qualitätsansprüche wuchsen

Generell könne gesagt werden, das Design von Produkten wird immer wichtiger für die Kaufentscheidung. Sei es aus ästhetischen oder praktischen Erwägungen. „In den 1950er-Jahren war es vor allem wichtig, dass die Geräte funktionstüchtig waren. In den 60er-Jahren war bereits ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis gefragt. Dann wuchsen die Qualitätsansprüche, und in den 80ern wurde verstärkt auf Ästhetik geachtet. Heute müssen Produkte ein benutzerfreundliches Design haben, um von den Konsumenten jeden Alters angenommen zu werden“, beschreibt Pfefferkorn die Entwicklung der Marktakzeptanz. Doch wer sind die Konsumenten der Zukunft? „Da sich Demografie und Wirtschaft gegenseitig beeinflussen, werden sich die Unternehmen dieser Veränderung stellen müssen“, erklärt der Absolvent des Masterstudiengangs International Marketing & Sales der FHV.

Bisherige Untersuchungen beschäftigen sich hauptsächlich mit altersgerechten Werbemaßnahmen für ältere Konsumenten. Die direkte Nutzung der Erfahrung und Kreativität dieser Menschen für die Produktentwicklung wird hingegen nicht ins Auge gefasst.“ Dabei wäre es laut Pfefferkorn eine große Chance, wenn Unternehmen mehr darüber wüssten, was sich im Alter verändert.

Die Ergebnisse der Erhebung erstaunten einigermaßen und zeigen, dass sich viele ältere Menschen sehr aktiv einbringen möchten. Allerdings scheuen sie davor zurück, die Unternehmen selbst zu kontaktieren. Bei seriösen und ernst gemeinten Anfragen wären sie jedoch gerne bereit, ihre Erfahrungen und ihre Kreativität in die Entwicklung neuer bzw. in die Verbesserung bestehender Produkte einzubringen.

„Bemerkenswert ist, dass in den Erhebungen zahlreiche Ideen für neue Produkte geäußert wurden – zum Teil sogar konkrete Handlungsempfehlungen, die für Unternehmen leicht in die Praxis umsetzbar sind“, sagt Pfefferkorn.

17 Ideen für Differenzierungen und sogar für völlig neue Produkte lieferten ihm seine Interviewpartner. „Ein Untersuchungsteilnehmer hatte früher ein Lebensmittelgeschäft und berichtete über den seiner Ansicht nach völlig falsch konzipierten Flaschendeckel einer berühmten österreichischen Kondensmilch. Über viele Jahre hinweg hätten sich seine Kunden über den sehr schwer zu öffnenden Verschluss beschwert, und es hätte sich bis heute nichts daran geändert, obwohl er selbst mehrfach Verbesserungen angeregt hätte.

Infos für die Zukunft

Wer mit seinen Kunden spricht – in diesem Fall mit der Generation Plus, erhält wesentliche Informationen für die Zukunft. So könnte man eine zentrale Erkenntnis auf den Punkt bringen. Wichtig ist laut Pfefferkorn, dass der Kunde ein Gefühl der Wertschätzung und des Respekts empfindet: „Nur echtes Interesse am Gegenüber kann bewirken, dass sich ein unternehmensfremder Mensch bereit erklärt, Ideen einzubringen, um ein Produkt zu erfinden oder zu verbessern.“

Die von den Departmentleitern Dr. Gudio Kempter, Dr. Horst O. Mayer und Dr. Karl-Heinz Weidmann jährlich herausgegebene Schriftenreihe „design2product“ wird von den drei FH-Professoren als Vermittlerin zwischen Designern und Rezipienten gesehen. Sie wollen damit Ergebnisse aus der empirischen Designforschung allgemein zugänglich machen mit dem Ziel, aus diesen Erkenntnissen einen praxisnahen und wirtschaftlichen Nutzen zu generieren. Der neue erschienene 4. Band widmet sich der Thematik „Die Generation Plus“. Das Buch ist direkt bei der FH Vorarlberg in Dornbirn erhältlich.

Die Dinge des alltäglichen Lebens sollten reduzierbar und einfach sein.

Reinhard A. Pfefferkorn