Immer weniger sehen den Sternenhimmel

Wissen / 24.06.2016 • 16:11 Uhr
Hell beleuchtete Häuser, Straßen und Plätze: Ein neu aufgelegter Atlas zeigt, welche Ausmaße die Lichtverschmutzung angenommen hat. AP
Hell beleuchtete Häuser, Straßen und Plätze: Ein neu aufgelegter Atlas zeigt, welche Ausmaße die Lichtverschmutzung angenommen hat. AP

Ursache ist die zunehmende Beleuchtung in den Städten – die Lichtverschmutzung.

Potsdam. Immer mehr Menschen auf der Welt haben nur noch einen trüben Blick auf den Sternenhimmel. Eine Hauptursache ist die zunehmende Beleuchtung von Straßen, Plätzen, Häusern und Denkmälern. Über 80 Prozent der Weltbevölkerung, in den USA und Europa sogar 99 Prozent, leben unter einem mehr oder weniger lichtverschmutzten Himmel, wie ein Team internationaler Wissenschaftler herausfand. Mehr als ein Drittel der Erdbevölkerung könne vom Wohnort aus die Milchstraße nicht mehr sehen, in Europa seien es 60 Prozent.

Negative Folgen

Die Forschungsergebnisse sind eine Neuauflage des 2001 erstmals erschienenen Atlas der Lichtverschmutzung. Das Team um den Italiener Fabio Falchi (Light Pollution Science and Technology Institute in Thiene) hat sie in der Fachzeitschrift „Science Advances“ veröffentlicht. Dies ist eine gemeinnützige Institution, die Forschung zu Lichtverschmutzung koordiniert und fördert. Luftverschmutzung aus Industrie und Verkehr wurde in der Studie nicht berücksichtigt.

Der an der Studie beteiligte Wissenschaftler Christopher Kyba vom Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) in Potsdam nennt die Beobachtungen besorgniserregend. Neben den nachtaktiven Tieren, die gelernt hätten, sich im Dunkeln zu orientieren, habe die Lichtverschmutzung auch negative Folgen für die Pflanzen, die den Wechsel von Tag und Nacht für die Photosynthese benötigten. „Das Kunstlicht kann das Pflanzenwachstum behindern und so die Nahrungsgrundlage für viele Tierarten – etwa für Fische – beeinträchtigen“, sagte Kyba.

Die 2001 im ersten Lichtatlas veröffentlichten Daten stammten aus den Jahren 1996 und 1997. Sie basierten auf Satellitendaten eines Programms der US Air Force. Die neuen präziseren Messungen lieferte der NASA-Satellit „Suzomi NPP“, der die Erde seit 2001 umkreist. Mit einem eigens dafür gebauten Instrument wurde 2014 erstmals das ins Weltall strahlende Licht der Städte gemessen. Rund 20 Prozent der gesammelten Daten stammen von Menschen, die als sogenannte Bürgerwissenschaftler an dem Projekt beteiligt waren.

Wenig dunkle Regionen

In Westeuropa gibt es demnach nur noch wenige richtig dunkle Regionen. Wer sie sucht, findet sie dem Lichtatlas zufolge am ehesten in Schottland, Schweden und Norwegen.

Schwerpunkt der Untersuchung waren die G20-Staaten, in denen die Lichtstrahlung an rund 21.000 Punkten gemessen wurde. Darunter haben Deutsche und Inder laut Studie noch die größten Chancen, die Milchstraße von ihrem Wohnort aus zu erkennen. Es gebe hier jedoch starke regionale Unterschiede, sagte Kyba. Die „Negativliste“ der Lichtverschmutzer in Deutschland führen laut Kyba die Gebiete um Dortmund, Düsseldorf und Köln an. Schlimmer werde es nur noch westlich davon, in Belgien und den Niederlanden. Auch entlang der Linie Frankfurt/Main, Mannheim, Karlsruhe, Stuttgart seien die Sterne oft nicht zu sehen.

„Nordwestlich Berlins in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern ist die geringste Lichtverschmutzung in Deutschland gemessen worden.“ Allerdings seien die Daten nicht immer zuverlässig, sagte Kyba. Zu Ungenauigkeiten könne es kommen, wenn Berge zwischen zwei Messpunkten liegen.

Eine große Gefahr sieht Kyba in der zunehmenden Verwendung von LED-Leuchten mit kaltweißem Lichtspektrum. Auf Menschen wirke das Licht morgens als Muntermacher, abends aber gehe die Bildung des zum Schlafen benötigten Hormons Melatonin zurück. „Die bläuliche Lichtfärbung erschwert es, Sterne am Himmel wahrzunehmen“, erläuterte Kyba und empfiehlt LED-Leuchten mit orangefarbener Lichttönung. Auf Straßen und Plätzen sollten die Lampen ihr Licht nur dort hinstrahlen, wo es benötigt werde.

Die Luftverschmutzung sei in der Studie nicht berücksichtigt worden, weil dazu weitere umfangreiche Messungen erforderlich gewesen wären, sagte Kyba.