Ein Gedankenexperiment

Wie viele Proteine sind denkbar?
schwarzach Proteine sind aneinandergehängte Aminosäuren. Davon sind 20 besonders wichtig, weil sie das Gewebe des Lebens aufbauen. Alles Fleisch besteht aus Proteinen – und Pflanzen, aufgebaut nicht aus Proteinen, sondern aus Zellulose, brauchen trotzdem welche für ihre Biochemie, genau wie wir. Die Enzyme, die uns am Laufen halten, bestehen aus Proteinen, aneinandergehängten Aminosäuren, wie Buchstaben in einem Text. Unser Alphabet hat 26 Buchstaben, das Alphabet der Aminosäuren 20. Wie viele solcher Buchstaben sind dann in einem Protein eingebaut? Meistens zwischen 100 und 300. Es kommt dabei, wie in einem geschriebenen Text, auf die Reihenfolge an. Der kursive Satz hat 72 Buchstaben (mit Leerzeichen und Punkt und Kommas).
Machen wir ein kleines Gedankenexperiment: Halten wir uns an die untere Grenzgröße (Länge 100) und bauen Proteine von jeweils 100 Aminosäuren Länge. Bestehen sollen diese „Sätze“ aus allen Kombinationen unserer 20 Aminosäuren. Weiters stellen wir uns vor, wir könnten von jeder dieser Ketten nur jeweils ein Exemplar herstellen (um Material zu sparen), also ein Proteinmolekül. Die füllen wir dann alle in ein leeres Gurkenglas. Proteine sind ja Materie. Man kann sie anfassen wie Schnitzelfleisch. Wie groß müsste das Glas sein? – Die Antwort ist erschreckend: es sind 20100, wörtlich zwanzig hoch hundert verschiedene Proteinmoleküle, die wir herzustellen hätten, die Zahl 20 hundertmal mit sich selbst multipliziert, das sind echt viele, nämlich 10130, das ist eine 1 mit 130 Nullen! Eins dieser Proteine wiegt im Schnitt so viel wie 5500 Wassermoleküle, ist aber immer noch winzig klein.
Um alle Proteine unterzubringen, brauchen wir dennoch ein ziemlich großes Einweckglas: Nicht nur unser sichtbares Universum wäre komplett mit Proteinen vollgestopft, sondern man bräuchte dreiundzwanzig zusätzliche Quintillionen Universen, alle so groß wie unseres, um die Proteine dieses Gedankenexperiments unterzubringen. Abgesehen davon, dass so ein angefülltes Universum aufgrund der Masse der Proteine sofort zu einem Schwarzen Loch zusammenfallen würde, zeigt die Rechnung doch eines: Von einer riesigen Zahl an Möglichkeiten hat die Natur auf diesem Planeten nur eine verschwindende Anzahl Proteine ausgesucht, die in der Realität auch vorkommen.
Beim Menschen sind das etwa 80.000. Die allermeisten unserer fiktiven Proteine ließen sich auch gar nicht herstellen, weil sie sofort in Bruchstücke zerfallen würden. Verwirklicht ist jedenfalls nur ein verschwindender Bruchteil des Möglichen. Wenn es also irgendwo außerirdisches Leben gibt, wird es unserem nicht gleichen – und von uns vielleicht gar nicht als Leben erkannt werden.