Strom aus Plastikbändern und Sonne
Alte Technik neu interpretiert.
schwarzach Der Bimetallstreifen wurde vor fast zweihundert Jahren erfunden. Er besteht einfach aus zwei verschiedenen Metallstreifen, die fest miteinander verbunden sind, durch Kaltschweißen, mit Nieten oder ähnlichem. Wesentlich: Das eine Metall dehnt sich bei Erwärmung stärker aus als das andere. Dadurch verbiegt sich die Vorrichtung. Man benützt das, um einen Zeiger zu bewegen, der bei entsprechender Eichung die Temperatur anzeigt, oder man verwendet das Bimetall als Aktuator, der eine Schalter bedient – und so weiter, es gibt seit Jahrzehnten vielfältige Anwendungen ohne Achsen, ohne Zahnräder. Und ohne Strom! Warum gibt es so was nicht aus Kunststoff? fragte sich der deutsche Chemiker Martin Huber. Also hat er es erfunden, keinen schmalen Streifen, sondern ein breites Band aus zwei verschiedenen Kunstoffen, miteinander verklebt. Der eine bildet die Vorderseite des Bandes, der andere die Rückseite. Huber nennt das Bipolymer. Und natürlich dehnt sich der eine Typ Plastik bei Erwärmung stärker aus als der andere. Jetzt muss man nur noch die Enden des Bandes zusammenfügen und das Ganze auf zwei Rollen aufspannen wie ein Förderband. Motor ist keiner angebracht, die Vorrichtung macht zunächst gar nichts – bis man die eine Seite erwärmt und die andere Seite abkühlt. Dann fängt das Band „wie von Geisterhand“ nämlich an zu laufen und dabei die Rollen zu drehen. An einer Rolle kann man nun einen Generator anschließen. Und Strom erzeugen! Woher kommt die Wärme? Es ist so-
genannte Abfallwärme, wie sie bei zahlreichen technischen Prozessen anfällt, von 80 bis 200 Grad. Oder sie stammt von einem Sonnenkollektor.
Gründung Start-up Poligy
Um die Erfindung zur Marktreife zu bringen, wurde das Start-up Poligy gegründet. Bei den niedrigen Temperaturen, die hier im Spiel sind, rümpfen Techniker die Nase – die Bezeichnung „Abfallwärme“ sagt ja schon alles, Wärme, die man wegschmeißt. Nur ein paar Prozent der Wärme kann in Strom umgewandelt werden. Man muss hier allerdings die Scheuklappen einer zweihundertjährigen Verbrennerkultur ablegen, die immer mit 500 Grad und 100 Atmosphären Druck daherkommt. Die Start-up-Leute denken nicht nur an den Einsatz in der Technik, sondern auch bei Wohnhäusern. Ziel ist es, die Anlage deutlich billiger zu machen als eine Photovoltaikanlage gleicher Leistung. Die Sammelfläche für die Sonne dürfte nämlich vergleichbar sein. Für ein Kilowatt Leistung braucht man etwa 10 Quadratmeter Modulfläche, bei einem Poligy-Kollektor sollten es 12 Quadratmeter sein, man rechnet aber mit deutlich geringeren Anschaffungskosten.
Kaufen kann man noch nichts, die Technik ist noch in Entwicklung. Industriell ließen sich durch Nutzung von Wärme unter 200 Grad in Deutschland 40 Millionen Tonnen Kohlendioxid einsparen.