„Comedy muss auch barrierefrei sein“

Er sitzt im Rollstuhl und macht Stand-up-Comedy. Der Deutsch-Türke Tan Caglar.
SCHWARZACH Wegen einer Rückenmarkserkrankung ist Tan Caglar auf den Rollstuhl angewiesen. Doch das hindert ihn nicht daran, zu machen, Basketball zu spielen oder zu modeln. Im April ist er mit seinem Programm in Hohenems zu Gast. Der Künstler im VN-Interview.
Du gehst mit viel Humor mit deiner Behinderung um. Das war aber nicht immer so, zuerst war das seelische Loch. Wodurch kam dein seelischer Aufschwung?
Tan Es war der Sport, der mich aus dieser Depression holte. Irgendwann wurde mir bewusst, dass ich meine körperliche Situation annehmen muss, dass ich mir ein Hilfsmittel suchen sollte, welches mich aus diesem Tief herausholt. Durch Zufall kam ich dann zum Rollstuhl-Basketball und das hat mir tatsächlich sehr geholfen.
Du gibst auch Motivationsseminare für Menschen mit Behinderung. Wie ist die Idee dazu entstanden?
Tan Witzig, dass jeder immer denkt, dass die Seminare für Menschen mit Behinderung sind. Die Seminare sind für Menschen ohne Behinderung. Ich mache eine Mischung aus Motivations- und Desensibilisierungkurs bzw. auch Team-Building-Maßnahmen. Zum Beispiel für das Deutsche Rote Kreuz. Es sind aber auch Firmen, die mich buchen. Unlängst hatte ich eine Gruppe von Rechtsanwälten und Staatsanwälten, das war sehr interessant. Ein Teil des Kurses besteht oftmals darin, dass wir gemeinsam Rollstuhl-Basketball spielen. Dabei macht jeder die Erfahrung, wie es ist, in einem Rollstuhl zu sitzen. Es entsteht ein Gefühl der Gleichheit.
Du machst Stand-up-Comedy. Wann hast du gemerkt, dass du eine komödiantische Ader hast?
Tan Das kam durch meine Motivationskurse. In meinen Seminaren habe ich oftmals die lustigen Erfahrungen aus meinem Leben erzählt und die Leute so zum Lachen gebracht. Als dann mal ein Teilnehmer nach dem Kurs zu mir kam und sagte: „Mensch Herr Caglar, das war ja jetzt wie Comedy“ habe ich daraufhin ganz naiv bei meiner jetzigen Agentur angerufen und gesagt: „Hier ist der Tan aus Hildesheim. Ich bin Rollstuhlfahrer und möchte Stand-up-Comedy machen.“ Da war dann erstmal zehn Sekunden Stille in der Leitung und dann haben wir beide gleichzeitig losgelacht. So hat das dann seinen Anfang genommen.
Du modelst auch, warst sogar für die Berliner Fashion Week gebucht. War das immer ein Traum von dir?
Tan Nein, das war Zufall. Für die Basketball-Mannschaft wurden Porträtbilder gemacht und da hat mich der Fotograf angerufen und mich gefragt, ob ich mal Lust auf ein Shooting habe. Wir haben dann ein berühmtes Michael Jordan-Bild nachgemacht, nur ich eben im Rollstuhl. Mit diesem Bild hat er bei einem Wettbewerb mitgemacht und das Bild hat tatsächlich gewonnen. Das hat dann irgendwie eine Welle geschlagen und es kamen plötzlich viele Anfragen bis schlussendlich auch die Berliner Fashion Week auf mich zukam. Wenn das Modeln auch nicht mein großer Traum war, es hat schlussendlich viel Spaß gemacht.
Im April können wir dich bei uns in Vorarlberg erleben.
Tan Ja, das ist mein erster Österreich-Auftritt, darauf freue ich mich total. Ich nehme die Leute mit auf eine Reise durch mein Leben, in dem ich immer wieder auf Menschen treffe, die entweder ganz locker oder eben auch sehr unsicher auf Menschen mit Handycap reagieren. Diese Situationen werde ich von meiner Perspektive aus beleuchten – es wird eine kontroverse aber sehr lustige Reise. VN-ea
Zur Person
Tan Caglar
Geboren 12. Juli 1980
Wohnort Hildesheim
Lebensmotto Normal kann jeder
Tan Caglar, 12. April, 20 Uhr, Löwensaal in Hohenems. Karten: Musikladen