Schon das, was sichtbar ist, bildet

Sollten Besucher des Vorarlberg Museums etwas nicht sehen, stehen Mitarbeiter bereit.
Bregenz. Waren Sie schon im neuen Vorarlberg Museum? Angesichts der Attraktivität des Hauses dürfte diese Frage von vielen mit einem Ja beantwortet werden. Dass die vor knapp einem Jahr in einem neuen Gebäude am Bregenzer Kornmarkt wiedereröffnete Einrichtung auch eine sein kann, die einen nicht mehr loslässt, findet Direktor Andreas Rudigier nicht nur bei sich und seinen Mitarbeitern bestätigt, sondern auch bei immer mehr Besuchern. Eine Dame aus dem Bregenzerwald komme beispielsweise immer wieder, sie arbeitet in der Tourismusbranche und sei, wie sie ihm erklärte, über die oberste Ausstellungsetage noch nicht hinausgekommen. Über Vorarlberg und viele Facetten des Landes ist dort in bislang eher unüblicher Aufmachung viel zu erfahren – und genau das will sie wissen. Denn sie will gewappnet sein, wenn die Gäste mit Fragen an sie herantreten. Da erfüllt das Museum also einen ganz praktischen Zweck.
Offenes Geschichtsverständnis
„Wir verstehen uns als Bildungseinrichtung, das ergibt sich allein daraus, was zu sehen ist“, definiert Rudigier die Ausrichtung. Speziell und lebendig soll sie sein: „Wir sehen uns nicht mehr als klassisches Landesmuseum und es soll auch nicht so sein, dass das Museum immer recht hat.“ Das offene Geschichtsverständnis soll sich in der Präsentation widerspiegeln, bei der Frage nach Vertiefung verweist der Museumsleiter auf die vielen Publikationen, die es mittlerweile zu so gut wie jeder Ausstellung gibt und auf Veranstaltungen, deren Zahl man erhöht hat.
Diskussionsplattform
Die Reihe „Freitags um 5“ erfreut sich bei immer mehr Zeitgenossen großer Beliebtheit. Kürzlich wurde in diesem Rahmen unter dem Titel „Frauen stellen ihren Mann“ Rollenbilder unter die Lupe genommen. Stefania Pitscheider-Soraperra, die Leiterin des Frauenmuseums in Hittisau, hatte sich als Ansprechpartnerin zur Verfügung gestellt. Derartige Kooperationen mit anderen Institutionen des Landes, und vor allem auch die Tatsache, dass das Museum vermehrt ein Podium für kritische Auseinandersetzung sein will, stellt Rudigier in den Vordergrund. „Es freut mich, wenn die Menschen ihrer Meinung nicht hinter dem Berg halten.“ Interessanterweise käme die kritische Haltung, die das Museum gegenüber Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens an den Tag legt, sehr gut an. So wird das Wirken und das bislang publizierte Weltbild des einstigen Landeshauptmanns und Bundeskanzlers Otto Ender (1875–1960) zurechtgerückt, wenn auch seine verurteilenswerten Aussagen, etwa „Was gesund ist am Hitlertum, wollen wir aufgreifen und soweit auch verwirklichen, als es für unsere Vorarlberger und für unsere österreichischen Verhältnisse passt“, einmal nicht verschwiegen werden.
Auch konkret in den Kommentaren zu den Ausstellungen wird die Hervorhebung solcher Zitate gutgeheißen. Zu den Persönlichkeiten, die die Besucher am meisten vermissen, zählt der Bregenzerwälder Dichter, Bauer und Reformer Franz Michael Felder (1839–1869). Das werde sich, so Rudigier, aber sowieso ändern, denn ab Juni präsentiert man eine umfangreiche Sonderausstellung zu Felder, die sich allein schon als Bildungseinrichtung darstellt und von dieser Ausstellung soll auch einiges stets im Museum verbleiben.
Anfragen handhabt man im Museum im Übrigen unkonventionell und ohne bürokratischen Aufwand. Die wissenschaftlichen Mitarbeiter stehen nach Möglichkeit für etwaige Auskünfte zur Verfügung. Die Ernsthaftigkeit des Begehrens ließe sich rasch mit einer Gegenfrage überprüfen, erläutert Andreas Rudigier Situationen aus dem Museumsalltag. Für angehende Wissenschaftler ist das natürlich eine wunderbare Unkompliziertheit.
Bibliothek
Nichtsdestotrotz konnte man den Mitarbeiterstab im Bereich der Vermittlung in letzter Zeit aufstocken. Übrigens: Die hauseigene Bibliothek besteht derzeit aus rund 30.000 Bänden. Ihr wird seit der Eröffnung des Hauses größere Aufmerksamkeit geschenkt. Zu Themen wie Zuwanderung oder zum erwähnten Tourismus gibt es hier endlich auch Nachlesenswertes.
Immer mehr Touristiker informieren sich bei uns darüber, was Vorarlberg eigentlich ist.
Andreas Rudigier
Vorarlberg Museum
» Standort: Bregenz, Kornmarktplatz
» Leitung: Andreas Rudigier
» Öffnungszeiten: Di bis So, 10 bis 18 Uhr, Do bis 21 Uhr. Vom 19. Juli bis 31. August, täglich, 10 bis 20 Uhr, Do bis 21 Uhr
» Ausstellungen: Schaudepot, Archäologie, Vorarlberger Geschichte und Gegenwart. Sonderausstellung vom 28. Juni bis 16. November zum Bregenzerwälder Dichter, Bauer und Reformer Franz Michael Felder