“Es wird sich alles ändern”

Extra / 10.11.2016 • 17:43 Uhr
Jürgen Schmidhuber:
Jürgen Schmidhuber: “Schon heute nutzen alle Handy-Besitzer künstliche Intelligenz.”

Wie künstliche Intelligenz das Leben verändert und was Forscher und Künstler gemeinsam haben.

Bregenz. Jürgen Schmidhuber rüttelte gleich zu Beginn des Vorarlberger Wirtschaftsforums alle auf, die glaubten, dass künstliche Intelligenz Zukunftsmusik ist. Schmidhuber ist nicht irgendein Wissenschafter, er ist weltweit einer der bekanntesten und wichtigsten Forscher und Vordenker im Bereich künstlicher Intelligenz.

Neuronale Netze

„Die Entwicklung wahrer künstlicher Intelligenz ist das letzte Bedeutsame, was wir als Menschen noch leisten können“, stellte er klar. Der 53-Jährige leitet seit elf Jahren das Schweizer Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz, kurz IDSIA, in Lugano. Schmidhuber beschäftigt sich nicht nur mit neuronalen Netzen und Robotik, sondern auch mit Kunst und der formalen Theorie der Kreativität. Zahlreiche Firmen, unter anderem die IT-Giganten Google, Apple, Microsoft und IBM, nutzen bereits heute die von ihm und seinem Institut entwickelte Spracherkennung. Eine Spracherkennung, die lernt und immer besser wird. Genauso wie die Schrifterkennung, die auch chinesische Handschriften mit ihren 4000 Zeichen lesen kann.

Genauer als der Mensch

Auch in der Medizin wird die Diagnose dank künstlicher neuronaler Netzwerke immer exakter.   „Bereits jetzt nutzt jeder, der ein Handy hat, künstliche Intelligenz“, sagt Schmidhuber. Aber auch wer auf Facebook Fotos postet, hat mit künstlicher Intelligenz zu tun. „Die klärt ab, ob das Foto veröffentlicht werden kann.“ Firmen, auch kleine, profitieren jetzt schon von selbstlernenden Systemen z. B. bei der Fehlererkennung in Materialien. „Die Maschinen machen das weitaus genauer als der Mensch und lernen dazu“ – schneller geht es auch.

Neue Berufe

Die fortschreitende Entwicklung der künstlichen Intelligenz hat natürlich Auswirkungen auf die Arbeitswelt. Schmidhuber dazu: „Der von harter Arbeit befreite Homo Ludens wird wie stets neue Wege finden, mit anderen Menschen professionell zu interagieren. Schon heute üben die meisten Leute Luxusberufe aus, die anders als der Ackerbau nicht überlebensnotwendig sind.“ Er verweist aber auch auf Länder mit vielen Robotern, wie Japan, Südkorea, Deutschland und die Schweiz. „Die haben erstaunlich niedrige Arbeitslosenquoten.“ Es sei zwar leicht vorherzusagen, welche Jobs verloren gehen, aber schwer zu prognostizieren, welche neuen entstehen.

Der Wissenschafter kann auch anhand von Zeitreihen belegen, dass die Entwicklung künstlicher Intelligenz viel schneller vorankommt, als gemeinhin angenommen wird. Dass sie allerdings einst die Macht über die Menschen gewinnt, daran glaubt er nicht. Das sei eine Fantasie von Filmregisseuren. „Die Maschinen haben kein Interesse an den Menschen. Es sind immer nur Menschen, die sich mit Menschen beschäftigen.“ In der wissenschaftlichen Arbeit und in der Kunst findet Schmidhuber dasselbe Prinzip. „Beide treibt die Kreativität an“, sagt er. Wenn ein Musiker einen neuen Akkord findet, dann verfolgt er den Einfall weiter. Genauso sei es beim Wissenschafter, der eine neue Erkenntnis gewonnen hat.

Die Maschinen haben kein Interesse an Menschen, weil wir ihnen nichts zu bieten haben.

Jürgen Schmidhuber

Zur Person

Jürgen Schmidhuber

Leiter des Instituts für künstliche Intelligenz IDSIA, Lugano

Geboren: 17.1.1963 in München

Mitglied der Europäischen Akademie der Wissenschaften und der Künste. Zahlreiche Publikationen und Preise.