Mit einer Wette auf Sparkurs

Gesund / 19.10.2012 • 11:20 Uhr
Monika Roth managt das Projekt im Kinzigtal. Foto: VN/mohr
Monika Roth managt das Projekt im Kinzigtal. Foto: VN/mohr

Ein Gesundheitsprojekt im Schwarzwald nutzt Patienten, Ärzten und Beitragszahlern.

Dornbirn. (VN-mm) Der Initiative Sichere Gemeinden ist es gelungen, durch konkrete Aktionen mehr Bewusstsein für die Prävention von Haushalts- und Freizeitunfällen zu schaffen und damit die Zahl der Krankenstandstage deutlich zu senken. In Baden-Württemberg zeigt ein Projekt im Kinzigtal auf, dass sich mit einer entsprechenden Begleitung von Patienten auch im Krankheitsfall noch Geld sparen lässt. Wenn alle, die es betrifft, mitmachen.

Ein Wort zur Initiative Sichere Gemeinden. Wie finden Sie diese Aktion?

Roth: Es ist eine richtig tolle Initiative. Wir haben seit 2011 Kontakt und ganz, ganz viele Punkte gesehen, in denen wir uns überschneiden und vielleicht ergänzen. Ich war auch bei der Rezertifizierung als „Safe Community“ wieder erstaunt und fasziniert, was alles geht, wie man im Bereich Unfallverhütung vorgehen kann und vor allem, wie hoch die Akzeptanz ist. Ich werde mir sicherlich Beispiele mitnehmen.

Was speziell könnten Sie denn noch lernen?

Roth: Der Bereich Unfallverhütung bei Kindern ist ein Feld, auf dem noch mehr geleistet werden muss. Radhelm-Spielefeste, Inlinerkurse, das sind alles Dinge, die gibt es bei uns nicht. Weder in Vereinen noch sonst wo.

Wo liegt der Unterschied zwischen der Initiative Sichere Gemeinden und Ihrem Projekt im Kinzigtal?

Roth: Der Unterschied liegt darin, dass wir mit den Angeboten nicht auf Prävention eingehen, sondern unseren Fokus auf bereits manifeste Krankheiten wie Diabetes oder Osteoporose richten. Da versuchen wir Patienten individuell zu betreuen und zu begleiten. Ziel ist die Vermeidung von krankheitsbedingten Zwischenfällen wie Stürzen und damit verbunden auch Spitalsaufenthalten.

War es schwierig, die Menschen zu überzeugen?

Roth: Es ist einfacher, Menschen zu erreichen, die schon ein Problem mit einer Erkrankung haben. Denn die suchen einen Ansatz, um ihre Situation verbessern zu können. Schwieriger ist es in der Vorbeugung. Jemand, der noch nicht gestürzt ist, fragt sich, warum er das und das dagegen machen soll.

Sie überzeugen ihn dann?

Roth: Wir machen ihm Angebote und lassen ihn diese ausprobieren. In der Regel ist es so, dass die Patienten die Sinnhaftigkeit schon erkennen und mitmachen.

Wie finanzieren Sie sich?

Roth: Wir haben mit zwei Krankenkassen in Baden-Württemberg eine Wette laufen. Die lautet: Wir verbessern die Versorgung so, dass auf Krankenkassenseite Geld eingespart wird. Und von diesem eingesparten Geld möchten wir die Hälfte. So finanzieren wir uns.

Was ist die Hälfte bzw. was spart Ihre Intervention den Krankenkassen?

Roth: Im Jahr 2008 haben wir pro Versichertem 98 Euro gespart. Bei 32.000 Patienten macht das eine schöne Summe aus.

Ist da noch Potenzial nach oben?

Roth: Auf jeden Fall. Wir hatten 2008 bei Weitem nicht so viele Angebote in der Prävention wie wir seit 2010 und 2011 haben. Also muss Luft nach oben sein.

Wie erfolgt die Abwicklung?

Roth: Die Programme werden über die niedergelassenen Haus- und Fachärzte angeboten und betreut. Für weitergehende Behandlungen gibt es Partner wie Physiotherapeuten, Apotheken, Fitnessstudios, Vereine. Je nach Schweregrad der Erkrankung werden die Patienten gezielt an einen Partner überwiesen und erhalten dort weitere Leistungen.

Und wie kommen die Patienten zu Ihnen?

Roth: Ausschließlich über den Hausarzt.

Welchem Grundgedanken ist dieses Projekt entsprungen?

Roth: Einfach der Idee, die Versorgung zu verbessern. Wir haben festgestellt, dass Leistungen eingespart wurden bei gleichzeitiger Verschlechterung des Ergebnisses. Das war aus unserer Sicht die falsche Richtung. Man muss Leistung erhöhen, um langfristig das Ergebnis zu verbessern und damit Kosten zu sparen. Die bisherigen Erkenntnisse geben uns diesbezüglich recht.

Was bezahlt der Patient dafür?

Roth: Nichts.

Würde sich das bei uns auch umsetzen lassen? Was braucht es dazu?

Roth: Ich glaube, umsetzen lässt es sich überall, denn es verändert ja nicht die normale Versorgung. Was es aber braucht sind Partner, die es angehen wollen.

Kann eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung künftig nur über solche Schienen gewährleistet werden?

Roth: Ich weiß nicht, ob integrierte Versorgung insgesamt tatsächlich der Königsweg ist. Für mich und auf wissenschaftlicher Ebene betrachtet, ist er das im Moment. Ich bin trotzdem gespannt, ob sich irgendwann etwas Neues auftut.