Träume (er)leben
Die letzte Station seines Lebens war ein Zimmer mit Aussicht auf die Berge. Auf „seine“ Berge. Er mochte sie immer, die schroffen Felsen und stolzen Gipfel. Ganz früher, in seiner Kindheit, da ging sich hin und wieder eine Tour aus. Danach nicht mehr. Danach hieß es anpacken, arbeiten, aufbauen, dort, wo nichts mehr war.
Die Berge, tröstete er sich oft, laufen mir nicht davon. Wenn er ganz gut drauf war, konnte er sogar ironisch sein. „Die überleben mich“, sagte er dann. Und lachte dabei. Die Berge sind ihm nicht davongelaufen. Sie haben auf ihn gewartet. Ihn erwartet. Doch er kam nicht. Konnte nicht mehr kommen. Das Schicksal wollte es anders. Es ging nicht sehr gnädig mit dem alten Herrn um. Es geht mit vielen Menschen nicht sehr gnädig um. Aber oft kann, will man das nicht verstehen. Menschen, die nur gerackert haben. Sie hätten es besser verdient. Hätten sich gute Jahre verdient. Hätten es verdient, ihre Träume noch leben zu können.
Keiner weiß, was auf ihn zukommt. Was ihn erwartet. Wir wollen das wohl auch gar nicht wissen. Denn es würde ein Leben nach Plan bedeuten. Und davon haben wir weiß Gott schon genug. Aber wir können die Zeit nutzen für Dinge, die wir gerne tun. Die uns Freude machen und Wohlbefinden schenken. Aufgeschoben ist vielleicht nicht aufgehoben, aber mit Sicherheit irgendwann zu spät.
marlies.mohr@vorarlbergernachrichten.at
Kommentar