„Bewerten und gewichten“

Gesund / 14.02.2014 • 11:20 Uhr

Impfen und was bei
einer Impfentscheidung berücksichtigt werden sollte.

schwarzach. (VN-mm) Immer wieder einmal stehen Schutzimpfungen in der Kritik. Die Folge sind häufig Verunsicherung und Angst. Die VN haben die zehn wichtigsten Fragen zu dieser Thematik aufgelistet und den langjährigen Impfreferenten der Vorarlberger Ärztekammer, Dr. Bernhard Jochum, um die entsprechenden Antworten gebeten. Hier der Versuch einer neutralen Darstellung eines sensiblen Gesundheitsbereichs.

Wozu sollte man sich eigentlich impfen lassen?

Man schützt mit der Impfung sich und auch sein Umfeld. Das ist dann die sogenannte Herdenimmunität. Besteht eine hohe Durchimpfungsrate, findet der Erreger immer weniger empfängliche Personen. Auf diese Weise kann es zur Ausrottung eines von Mensch zu Mensch übertragbaren Erregers kommen.

Was geschieht bei einer Impfung im Körper?

Es kommt einerseits zu einer Bildung von Antikörpern, andererseits zu einem Aufbau der Abwehr durch Abwehrzellen. Die Antikörper lassen sich teilweise messen, aber wahrscheinlich ist die zelluläre Abwehr wichtiger. Doch die lässt sich derzeit noch nicht wirklich messen.

Stellt die Impfung eine Belastung für einen Säugling dar?

Säuglinge vertragen eine Impfung in 90 Prozent der Fälle ohne merkbares Problem. Bei 10 Prozent der Kinder beobachten wir Fieber, eine Schwellung an der Stichstelle und manchmal auch eine Schreiphase. Andere, schwerere Reaktionen und Nebenwirkungen sind sehr selten, oft aber auch schwer zuordenbar.

Lässt sich bei gesundheitlichen Problemen nach einer Impfung ein ursächlicher oder zeitlicher Zusammenhang herstellen?

Diese Frage muss im Zusammenhang mit der sogenannten Hintergrundmortalität gesehen werden. Experten haben dazu im Auftrag des Gesundheitsministeriums folgende Daten erhoben: Bei 100.000 weiblichen Personen entwickeln sich ohne Impfung innerhalb von sechs Wochen 81 Fälle von Asthma, 45 Fälle von Allergien, 12 Fälle von Diabetes, 4 Fälle von chronischen Darmerkrankungen, 4 Schilddrüsenerkrankungen und ein Fall von Multipler Sklerose. Das kann allerdings auch passieren, wenn innerhalb dieser sechs Wochen eine Impfung verabreicht wird.

Woraus bestehen Impfstoffe?

Es gibt Impfstoffe mit abgetöteten Erregern, sogenannte Totimpfstoffe. Es gibt Lebendimpfstoffe, in denen abgeschwächte Erreger enthalten sind, und es gibt aktive Impfstoffe. In diesen Fällen werden Erreger geimpft, gegen die der Körper aktiv eine Abwehr aufbauen muss. Weiters gibt es Passivimpfungen, bei denen Antikörper injiziert werden und der Körper praktisch nichts mehr tun muss. Außerdem sind Hilfsstoffe in den Impfseren enthalten. Vor allem Quecksilber ist in Diskussionen immer noch ein Thema. Grundsätzlich beinhalten Kinderimpfstoffe aber kein Quecksilber mehr. Auch Formaldehyd wird als Beigabe verwendet. Dieser Stoff ist jedoch auch sonst überall vorhanden. In Reinluftgebieten etwa liegt die Menge bei 1 bis 2 Mikrogramm pro Kubikmeter. Formaldehyd kommt auch in Nahrungsmitteln und in unserem Kreislauf vor. Ein FSME-Impfstoff etwa beinhaltet maximal 5 Mikrogramm, das heißt, mit dem Impfstoff wird der körpereigene Formaldehydgehalt verdünnt. Aluminiumhydroxid ist als Zusatzstoff bei der laufenden Diskussion mit Impfgegnern ebenfalls in die Kritik geraten. Welche Rolle er tatsächlich spielt, wird derzeit von Experten noch einmal intensiv erhoben. Ein sicherer Anhalt für Schädlichkeit besteht nach derzeitigem Informationsstand nicht.

Wann gilt ein Impfstoff als sicher und wer entscheidet über die Freigabe?

Die neuen Impfstoffe werden nur noch von der Europäischen Medizin Agentur (EMA) geprüft. Es gibt einen Hauptprüfer sowie eine Prüfungskommission, die dessen Ergebnisse bewertet. Die Hersteller bezahlen eine Zulassungsgebühr.

Wovon hängt es ab, ob und wie jemand auf eine Impfung reagiert?

Es hängt in jeden Fall von der allgemeinen körperlichen Verfassung eines Menschen ab. Jemand, der krank ist, sollte nicht geimpft werden. Es hängt weiters vom Alter und von der Gesundheit insgesamt ab. Wenn gegen einen Bestandteil eines Impfstoffs eine Allergie bekannt ist, wie etwa gegen Hühnereiweiß, soll nicht mit diesem Impfstoff geimpft werden.

Sind Impfungen im Alter gefährlicher?

Es gibt Impfungen, z. B. die Gelbfieberimpfung, die im Alter nicht mehr so gerne verabreicht wird. Aber im Großen und Ganzen stellt das Alter kein Hindernis dar.

Gibt es Impfungen, die sinnvoll und weniger sinnvoll sind?

Ja, das kann man durchaus so sagen. Es kommt immer auf das Auftreten der Erkrankung an. Beispiel: Man wird einem Schulkind bei uns keine Tollwutimpfung geben, weil Vorarlberg tollwutfrei und das damit nicht mehr nötig ist. Ähnlich verhält es sich mit der Pocken- und Tuberkulose-Impfung. Wichtig ist es, die Impfungen hinsichtlich der Gefährlichkeit von Krankheiten, die sie verhindern können, richtig zu bewerten und ebenso richtig zu gewichten.

Wo können sich Eltern objektiv informieren?

Im Österreichischen Impfplan gibt es klare, durch eine Expertenkommission abgesicherte Empfehlungen. Auch ein Arzt des Vertrauens kann weiterhelfen.

Links und Literatur

www.bmg.gv.at
(Gesundheitsministerium)

www.docs4you.at

www.aks.or.at

www.impftipp.de

www.pei.de (Paul-Ehrlich-Institut)

www.rki.de (Robert-Koch-Institut

» Broschüre „Reaktionen und Nebenwirkungen nach Impfungen“: online abrufbar unter www.meduniwien.ac.at/tropenmedizin und www.bmg.gv.at.

» Ulrich Heininger: Handbuch Kinderimpfungen – Die kompetente Entscheidungshilfe für Eltern, Verlag Irsiana

» Martin Hirte: Impfen Pro & Contra – Das Handbuch für die individuelle Impfentscheidung, Verlag MenSana