Besser als ihr Ruf
Die alte Frau hatte nicht viel im Korb. Das Wenige, das sie brauchte, passte in die kleine Stofftasche, die sie bei sich trug. Jedes Stück packte sie einzeln und sorgfältig hinein. Danach zog sie eine abgegriffene braune Geldbörse aus der Manteltasche und kramte mit ihren knochigen Fingern umständlich einen 20-Euro-Schein heraus, um den Einkauf zu bezahlen. Hinter ihr hatte sich bereits eine ordentliche Menschenschlange gebildet. Es war Mittag und der Hunger bei vielen groß. Die Hast aber offenbar auch. In den Gesichtern einiger Jungen spiegelte sich unverhohlen die „Wann wirst du endlich fertig Alte“-Frage und Füße traten unruhig auf der Stelle. Bereit, sofort loszustürmen, wenn sich die Gelegenheit bot. Doch die „Alte“ ließ sich nicht beirren. Nichts pressierte mehr, nichts lief ihr mehr davon, außer vielleicht die Zeit. Aber darauf hatte sie keinen Einfluss. Sie nahm vom Leben, was es noch hergab.
Dazu zählte Hektik mit Sicherheit nicht. Sie erledigte, was es zu erledigen gab, nahm ihre Siebensachen, bedachte die Dame an der Kasse mit einem freundlichen „auf Wiedersehen“ und ging. „Endlich“, presste einer der Jugendlichen zwischen zwei Bissen von der Wurstsemmel hervor. „Nun hab’ dich nicht so. Denk dran, wir werden auch einmal alt“, meinte sein Freund mit der vielen seiner Altersgenossen eigenen Unbeschwertheit. Ich musste schmunzeln. Gerade eben hatte ich gelesen, wie egoistisch und planlos und arschkriecherisch die heutige Jugend sein soll.
Schön, dass uns der Alltag zuweilen auch ein anderes Bild zeigt.
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