Wärme
Der Tag nach dem großen Regen trug schon einen Hauch von Herbst durchs Land. Das sollte allerdings nicht überraschen, zumal in unseren Breiten und zu dieser Zeit. „Wenn das Wetter jetzt umschlägt, dann…“, orakelte eine Bekannte, ließ den Rest ihrer Gedanken aber offen. Ich war geneigt zu entgegnen: „Endlich fühlt sich alles wieder einigermaßen normal an.“ Obwohl: Was ist heutzutage schon normal. Zu heiß, zu kalt, zu viel Regen, zu wenig Schnee: Die Aufzählung klimatischer Unebenheiten ließe sich mittlerweile beliebig fortsetzen.
Jedenfalls war es ordentlich untertemperiert, als ich mit dem Hund meine Morgenrunde drehte. Das Gras noch nass, der Himmel dunkel und wolkenschwer. Die Kühle kitzelte meine nackten Waden, der Wind fuhr durch die dünne Jacke und ließ mich frösteln. Andere kamen schon in Mützen daher. Ich hätte auch eine vertragen, sogar nach Handschuhen gelüstete es mich. Im Grunde jedoch tat es gut, die glasklare Luft einzuatmen und zu spüren, wie sie den Körper bis in die letzte Zelle flutet. Es fühlte sich an wie der sprichwörtliche Frischekick.
Die Kälte ließ sich allerdings nicht aus den Knochen vertreiben. Die begleitete mich, bis ein paar Sonnenstrahlen die Wolkenbarriere durchbrachen und den Morgen mit ein bisschen Wärme adelten. Wärme ist ein Lebenselixier, etwas, das jeder Mensch braucht und jeder Mensch geben kann. Das Gestirn, das uns zuweilen mehr einheizt als uns lieb ist, ist trotzdem keine verlässliche Komponente, aber von Mensch zu Mensch stehen uns noch alle Möglichkeiten offen. Wir müssen sie nur nutzen.
Marlies Mohr
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