„Impfung macht nicht unfruchtbar“

Gynäkologin widerspricht hartnäckigen Vorurteilen in Bezug auf die Coronaimpfung.
Innsbruck Impfen oder nicht impfen? Diese Frage stellen sich viele Frauen, denn in Internetforen kursieren Geschichten, welche eine Bedrohung der Fruchtbarkeit durch die Covid-19-Impfung heraufbeschwören. Bettina Toth, Direktorin der Univ.-Klinik für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin an der Med Uni Innsbruck, räumt mit Impfmythen auf.
Viele Frauen berichten über Zyklusunregelmäßigkeiten nach der Corona-Impfung. Was hat es damit auf sich?
Toth Jede Impfung löst eine Immunreaktion aus, da sich das Immunsystem mit dem Virus bzw. den Viruspartikeln auseinandersetzt, auch wenn es eine abgeschwächte Form davon ist. Das ist nicht schlimm. Wir beobachten das übrigens auch bei anderen Infektionskrankheiten, wie etwa der Grippe. Das Immunsystem wird stimuliert und die Prozesse, die dabei im Körper ablaufen, können dazu führen, dass sich zum Beispiel die Periode verschiebt. Abgesehen davon kann auch Fieber Veränderungen mit sich bringen, die zu Zyklusunregelmäßigkeiten führen.
Manche Frauen befürchten, dass die Impfung gegen Covid-19 ihre Fruchtbarkeit negativ beeinflussen kann. Wie ist der Forschungstand dazu?
Toth Es wurde schon früher häufig behauptet, dass Impfungen Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit haben. Das sind Märchen, die aber massive Ängste in der Bevölkerung auslösen. Die Sorge, dass die Corona-Impfung unfruchtbar machen könnte, rührt daher, dass Teile der Virushülle – das sogenannte Spike-Protein – in der Impfung enthalten sind, die dem Plazenta-Protein Syncytin-1 ähnlich sind. Dieses wiederum ist für die Bildung des Mutterkuchens zuständig. Nun befürchtet man, dass Antikörper, die gegen das Spike-Protein gebildet werden, aufgrund der Ähnlichkeit theoretisch auch Syncytin-1 angreifen könnten und so das Wachstum des Mutterkuchens stören. Diese Befürchtung konnte aber zwischenzeitlich durch wissenschaftliche Untersuchungen eindeutig ausgeräumt werden. Kurzum: Die Corona-Impfung macht nicht unfruchtbar, genauso wenig wie ein Schnupfen oder Durchfall unfruchtbar machen.
Hat eine Corona-Erkrankung langfristige Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit von Männern und Frauen?
Toth Es gibt noch deutlich weniger Studien über die langfristigen Folgen eines schweren Corona-Verlaufs auf die Fruchtbarkeit von Frauen als auf jene von Männern. Bei den Männern, die eine Intensivbetreuung benötigt haben, konnten im Spermiogramm Beeinträchtigungen der Spermien in Beweglichkeit, Konzentration und Morphologie, also Schwanz-Kopf-Geißel-Defekte, festgestellt werden. Das ist jedoch keine Besonderheit der SARS-CoV2-Infektion. Das passiert bei jedem Mann, der in einem lebensbedrohlichen Zustand ist. Ob es durch Corona-Infektionen langfristige Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit geben wird, sehen wir erst in ein paar Jahren, wenn sich die betroffenen Männer erholt haben und einen Kinderwunsch realisieren möchten.
Gibt es zu den kurzfristigen Auswirkungen der Erkrankung auf die Fruchtbarkeit bereits mehr wissenschaftliche Daten?
Toth Bei den Frauen, die eine – zumeist milde – Corona-Infektion gehabt haben, sehen wir derzeit weder kurz- noch langfristige Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit. Bei den Männern mit leichten Verläufen ist es ebenso. Bei den schweren Infektionen sind leichte bis mittelgradige Veränderungen des Spermiogramms in Studien beschrieben, die sich aber zumeist im weiteren Verlauf normalisiert haben. Allerdings gibt es hier noch wenige Daten und noch keine jahrelangen Beobachtungen.
Gibt es neue Erkenntnisse was Kinderwunsch, Schwangerschaft und Stillzeit betrifft?
Toth Wir empfehlen Frauen, sich vor Verwirklichung des Kinderwunsches impfen zu lassen und dann noch vier Wochen zu warten. Die internationale Empfehlung ist, zwei bis vier Wochen Abstand zu lassen. Ist die Frau bereits schwanger, rate ich zu einer Impfung ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel. Besonders empfehle ich die Impfung Frauen mit einem hohen Risiko für einen schweren Infektionsverlauf in der Schwangerschaft, wie bei Adipositas, Diabetes, Bluthochdruck, um die Mutter zu schützen und dem Kind einen Nestschutz zu ermöglichen. Antikörper der geimpften Mutter gehen damit auf das Kind über und bieten ihm einen passiven Schutz. In der Stillzeit kann man sich jederzeit impfen lassen, und auch hier kann man in Studien einen Antikörpernachweis beim gestillten Neugeborenen nach Impfung der Mutter feststellen.
„Auch Fieber kann Veränderungen und damit Zyklusunregelmäßigkeiten auslösen.“