Studien als Chance bei Frauen gefragt

Christian Marth von der MedUni Innsbruck und die Fortschritte bei der Behandlung von Brustkrebs.
Innsbruck In Österreich erkrankt jede achte Frau im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs, aber auch Männer sind betroffen. Christian Marth, Direktor der Uniklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe an der Medizinischen Universität Innsbruck betont die Wichtigkeit wissenschaftlicher Studien, informiert über den Stand der personalisierten Therapie und appelliert an Frauen, Früherkennungsangebote anzunehmen.
Während der Pandemie haben viele Menschen die Angebote zur Früherkennung nicht in Anspruch genommen. Trifft das auch auf das Brustkrebs-Screening zu?
Marth Wir gehen davon aus, dass in ganz Österreich bei rund 1000 Frauen Brustkrebs nicht oder deutlich verspätet diagnostiziert worden und inzwischen deutlich weiter fortgeschrittenen ist. Der Anteil der Patientinnen, die bereits Symptome haben, wenn sie zu uns kommen, hat sich verdoppelt. Für die Früherkennung ist es wichtig, dass man die Untersuchungsintervalle einhält, um die bestmögliche Prognose zu haben. Es spielt zwar sicher keine große Rolle, die Mammografie um zwei Monate zu verschieben. Die Erfahrung zeigt aber, dass die Patientinnen die Untersuchung eher ein ganzes Jahr ausfallen lassen. Mein Appell lautet daher: Auch in Zeiten einer Pandemie, darf man andere Krankheiten nicht vergessen!
Wie maßgeschneidert ist die personalisierte Brustkrebs-Therapie inzwischen?
Marth Wir machen genaue Analysen, um herauszufinden, welche Medikamente bei welchen Patientinnen wirksam sind. Ziel ist, für jedes Medikament einen Marker zu bekommen, um zu wissen, ob die jeweilige Patientin von der Therapie profitieren wird. Bei HER2 exprimierendem Brustkrebs haben wir z.B. inzwischen Antikörper, die an den HER2-Rezeptor andocken können und die wir mit einem Zellgift verknüpfen. Der Antikörper schleust das Gift in die Krebszelle ein und lässt es dort gezielt frei. Die Krebszelle und ihre Nachbarzelle werden abgetötet. Solche sogenannten Antibody Drug Conjugates sind hocheffektiv und haben eine neue Ära in der Krebstherapie eingeläutet.
Welche Erfolge zeigt die Immuntherapie?
Marth Die Immuntherapie ist außerordentlich effektiv und im Gegensatz zur Chemotherapie, gegen die der Tumor mit der Zeit resistent wird, lange wirksam bei Patientinnen, die darauf ansprechen. Die Schwierigkeit ist: Wir wissen noch nicht genau, für welche Patientinnen die Immuntherapie geeignet ist. Momentan liegt die Ansprechrate bei 15 bis 20 Prozent. Dieser Anteil ist noch gering. Es wird derzeit extrem daran geforscht, entsprechende Biomarker zu entdecken, die besser vorhersagen, wer auf die Immuntherapie anspricht.
Welche Studien zu Brustkrebs laufen am Brustkrebszentrum Innsbruck?
Marth Aktuell gibt es rund 15 Studien, die sich mit verschiedenen Krankheitssituationen befassen. Diese werden zumeist im Rahmen von internationalen Netzwerken durchgeführt. Wir untersuchen unter anderem ob es uns gelingt, Tumoren bereits vor einer Operation verschwinden zu lassen, indem wir Chemo- und Immuntherapie kombinieren. In einer weiteren Forschungsarbeit versuchen wir, Rückfälle besser zu behandeln, indem wir die Hormontherapie mit einem zusätzlichen Medikament verbinden. Es gibt auch eine Studie, in der es darum geht, die Radikalität der Brustoperation zurückzunehmen.
Welche Vor- und Nachteile ergeben sich für Brustkrebs-Patientinnen durch die Teilnahme an Studien?
Marth Mittels Studien werden oft neue Therapiestandards definiert. Sie sind für die Patientinnen daher außerordentlich wichtig. Viele Frauen fragen mittlerweile von sich aus, ob es für sie eine Studie gibt. Die Patientinnen begreifen, dass eine Studie eine Chance ist, heute schon die Therapie von morgen zu erhalten. Wir versuchen, einem Großteil der Patientinnen eine Teilnahme anzubieten. Das bedeutet für sie zwar einen höheren Aufwand, weil sie sich noch mehr Untersuchungen unterziehen müssen. Dafür haben sie die Chance auf die bestmögliche, lebensverlängernde Therapie über den Standard hinaus.
Was trägt die Medizin zur Erhaltung einer guten Lebensqualität bei?
Marth Die Diagnose Brustkrebs reißt den Frauen den Boden unter den Füßen weg. Hier ist es wichtig, dass wir ihnen von Anfang an Begleitung anbieten – durch speziell ausgebildete Pflegepersonen, die Breast Cancer Nurses, und durch psychoonkologische Betreuung. Es ist entscheidend, dass die Patientinnen Zeit bekommen, in der sie über alle ihre Fragen und Ängste reden können.
2018 sind in Österreich auch 63 Männer an Brustkrebs erkrankt. Inwieweit überschneidet sich die Therapie von Männern und Frauen?
Marth Selten, aber doch, werden auch Männer in der Gynäkologie behandelt. Wenn Männer an Brustkrebs erkranken, muss man vorragig immer an eine erbliche Veranlagung denken und auf jeden Fall eine genetische Beratung anbieten. Die Therapie verläuft sehr ähnlich wie bei Frauen, und auch die Überlebenschancen gleichen sich. Dadurch, dass Männer weniger Fettgewebe in der Brust haben, können Knoten zwar leichter ertastet werden, im Gegensatz zu Frauen denken sie aber weniger daran, dass es sich um Brustkrebs handeln könnte. Sie gehen meist erst zum Arzt, wenn sie bereits Symptome haben. Diese sind im Wesentlichen dieselben, wie sie auch bei Frauen auftreten: Verhärtungen, Einziehung der Haut, Hautveränderungen, Schmerzen.